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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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herüber. Ohne Zweifel, der Trifels wurde belagert!
    »Offenbar hat Friedrich von Scharfeneck beschlossen, sich seine Burg doch noch zurückzuholen«, sagte Melchior, der neben Mathis aus dem Dickicht hervorgekrochen war. »Seht selbst.«
    Er deutete auf eine in den Boden gerammte Fahne, die einen gekrönten, aufrecht stehenden Löwen zeigte. Mathis kannte das Wappen noch von der Belagerung der Ramburg vor einem Jahr, und nun sah er auch das rot-blaue Zelt, das in unmittelbarer Nähe stand und aus dem soeben eine schma­le Gestalt trat, die einige Befehle bellte. Die bis zum Waldrand zu vernehmende Stimme ließ Mathis zusammenzucken.
    »Verflucht, das ist tatsächlich der Graf!«, flüsterte er. »Nun wird es doppelt schwer, in den Trifels einzudringen, um dort nach Hinweisen auf die Lanze zu suchen.«
    »Doppelt schwer, wenn nicht sogar unmöglich«, erwiderte Melchior und blickte nachdenklich zum Zelt hinüber, so als würde er ihre Chancen abwägen. »Mit ein paar betrunkenen Bauern hätten wir es zur Not noch aufnehmen können, aber mit einem ganzen Fähnlein Landsknechte? Die Männer hier schauen nicht so aus, als wäre dies ihre erste Belagerung.«
    Mathis blinzelte, um im Feuerschein mehr erkennen zu können. Tatsächlich trugen die Landsknechte allesamt lange Dolche, Spieße und Katzbalger, sogar einige Bidenhänder konnte er erkennen. Auch die Geschütze machten einen gepflegten Eindruck. Es waren drei Falkaunen, eine große Kartaune und eine sogenannte Nachtigall, die Kugeln von bis zu fünfzig Pfund verschießen konnte. Der Sturm auf die Burg hatte offenbar noch nicht begonnen, denn nahe dem Trifels sah Mathis noch einige unfertige Schanzanlagen. Die Schmiede und einige der umliegenden Gebäude waren aus­gebrannt. Er konnte nur hoffen, dass seine Mutter und seine Schwester sich rechtzeitig in Sicherheit gebracht hatten.
    Eine Weile noch blickte Mathis schweigend auf das kleine Heerlager, dann nickte er entschlossen.
    »Also gut, das war es«, sagte er leise. »Wir können nicht in den Trifels rein, und Agnes kann uns offenbar auch nicht weiterhelfen. Was für eine Schnapsidee, diese Vorstellung, irgendwelche Träume und Kindheitserinnerungen würden uns verraten, wo diese Lanze ist!« Er schüttelte den Kopf. »Ich werde jetzt versuchen, meine Familie zu finden, um ihr Lebewohl zu wünschen, und dann mache ich mich mit Agnes auf in die Fremde. Das hätte ich schon viel früher tun sollen.«
    Melchior von Tanningen lächelte verschmitzt, doch in ­seinen Augen zeigte sich zum ersten Mal eine winzige Spur Unsicherheit. »So schnell werft Ihr Eure Ideale über Bord? Noch vor ein paar Tagen wart Ihr davon überzeugt, mit der Heiligen Lanze und Florian Geyer als Eurem Anführer diesen Krieg doch noch zu gewinnen. Und jetzt ist das alles nichts mehr wert?«
    »Es war ein Fehler, das sehe ich jetzt ein.« Mathis erhob sich vom Waldboden. »Das Einzige, was ich wirklich gewinnen will, ist Agnes. Durch diesen Krieg waren wir schon viel zu lange getrennt.«
    Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und machte sich auf den Weg zurück in den Wald. Zornig schob er Äste und Zweige zur Seite und stapfte den Hang hinab, ohne darauf zu achten, ob Melchior ihm folgte. In seinem Kopf tobten die Gedanken wie dunkle Wolken in einem Orkan. Wie hatte er sich nur in diese Idee verrennen können, eine alte Lanze sei wichtiger als das einzige Mädchen, das er je geliebt hatte! Agnes hatte förmlich darum gebettelt, mit ihm zusammen zu sein, aber er hatte nur an seine hehren Ideale gedacht. Gleich jetzt würde er auf die Knie fallen und sich dafür bei ihr entschuldigen.
    Gesenkten Hauptes marschierte Mathis weiter durch den Wald. Er war etwa eine halbe Stunde unterwegs, als er weiter vorne plötzlich einen Schrei hörte. Er kam genau aus der Richtung, wo er und Melchior Agnes zurückgelassen hatten.
    Mathis’ Herz schlug schneller. Er begann zu rennen, als erneut ein heller Schrei ertönte. Diesmal war er sich sicher, dass es Agnes gewesen war. Unwillkürlich musste er daran denken, wie Agnes damals in Albersweiler auf ein Boot verschleppt wurde und in der Dunkelheit verschwand.
    O Gott, nicht schon wieder! Bitte lass sie mich diesmal rechtzeitig finden!
    Nun bereute Mathis, dass er ohne Melchior von Tanningen so hastig aufgebrochen war. Er konnte nur hoffen, dass der Barde nicht zu weit hinter ihm war. Immer schneller lief er jetzt, stolperte in der Dunkelheit mehrmals über Wurzeln und Dornendickicht, fing sich wieder, rannte

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