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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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stünde zwischen ihnen noch eine unsichtbare Mauer.
    »Es ist schön, was du da sagst«, erwiderte sie schließlich. »Wenn ich mir auch nicht recht vorstellen kann, wie du ganz ohne Kampf, ohne das Einstehen für Freiheit und Gerechtigkeit, an meiner Seite alt wirst. Das wäre nicht mehr der gleiche Mathis.« Sie seufzte und sah ihn endlich an. »Warum können wir diese ganzen leidigen Geschichten nicht hinter uns lassen? Wir steigen irgendwo vom Schiff und beginnen ein neues Leben. Jetzt nach dem Krieg hat sich hier im Land so vieles verändert! So viele Menschen sind gestorben, so viele sind geflohen. Da wird ein junger Schmied mit einer Frau an seiner Seite sicher gebraucht. Es müssen ja keine Feuer­rohre mehr sein, die du herstellst.«
    Mathis lächelte. »Keine Angst. Von Feuerrohren bin ich geheilt. Hufeisen und Pflugscharen sind mir mittlerweile lieber.« Plötzlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck, düster starrte er hinüber zu einem weiteren Dorf am Ufer, wo einige Strohdächer brannten. Rauchschwaden trieben bis zu ihnen herüber. Drei Leichen hingen in den Ästen einer Weide direkt am Fluss.
    »Es ist so verflucht ungerecht!«, schimpfte Mathis und schlug mit der Hand auf die Reling. » Wir hätten diesen Krieg gewinnen müssen! Wie lange sollen die armen Leute denn noch unter der Knute der Herren darben? Dreihundert Jahre? Vierhundert vielleicht?«
    »Vielleicht ist die Zeit der Bauern einfach noch nicht gekommen«, warf Agnes ein. »Wenn es jetzt immer mehr Bücher gibt, dann werden auch immer mehr Leute lesen lernen. Sie werden vieles erfahren, was sie jetzt noch nicht wissen. Die hohen Herrschaften werden es dann nicht mehr so leicht haben, das Volk über den Tisch zu ziehen.«
    »Ach was! Die hohen Herrschaften hatten einfach die ­besseren Waffen und die geschickteren Anführer, das ist ­alles. Wenn wir nur einiger aufgetreten wären, vielleicht unter ­Florian Geyer, mit einer gemeinsamen Fahne. Wir hätten …«
    Plötzlich stutzte Mathis. Er zog die Stirn kraus, wie immer, wenn er scharf nachdachte.
    »Diese Lanze«, murmelte er schließlich. »Melchior sagte, sie könnte die Fürsten einen. Aber warum soll das nicht auch für die Bauern gelten?«
    Agnes sah ihn flehentlich an. »Bitte, Mathis, fang nicht wieder damit an!«
    »Hör mir doch erst mal zu! Du sagst, du willst nicht der Spielball irgendwelcher Mächte sein. Das ist dein gutes Recht. Aber mit dieser Lanze verhält es sich anders! Sie könnte auch ein starkes Symbol für die Bauern sein. Stell dir vor, der Ritter Florian Geyer würde mit der Heiligen Lanze die Bauern ein letztes Mal zur Schlacht sammeln. Alle würden ihm folgen! Eine göttliche Lanze, die den Sieg verheißt, einen Sieg über die Ungerechtigkeit, über Zinswucher und Leibeigenschaft, was für ein größeres Symbol kann es noch geben!« Mathis hatte sich mittlerweile in Rage geredet. »Agnes, ich bitte dich! Denk nicht nur an dich, denk auch an das, was du erreichen kannst!« Er fasste sie fest an der Schulter. »Diese Träume, die du hattest. Haben sie nicht irgendwas darüber verraten, wo sich diese Lanze befindet?«
    »Ich … ich weiß nicht«, entgegnete Agnes verwirrt. »Ich erinnere mich, von der Flucht geträumt zu haben. Johann trug das Kind und … und Constanza ein Stoffbündel …«
    »Darin war die Lanze!«, rief Mathis aufgeregt. »Ganz sicher! Agnes, versuch dich zu erinnern! Hat dir deine Mutter vielleicht irgendwann erzählt, wo die beiden sie versteckt haben?«
    »Ich war fünf, Mathis! Hast du das vergessen?« Verbittert wandte sich Agnes von ihm ab. »Und überhaupt, habe ich nicht gesagt, ich will nichts mehr davon hören? Zuerst sagst du, dass du mich liebst und du keine Waffen mehr schmieden willst, und jetzt geht es dir doch nur um diese Lanze!«
    »Es geht mir nicht um die Lanze, sondern um Gerechtigkeit. Agnes, versteh doch! Du bist vielleicht die Einzige, die diesen Krieg noch wenden kann. Ich bitte dich nur, dich zu erinnern, mehr nicht!«
    Agnes zögerte. Am liebsten wäre sie einfach ins Wasser gesprungen, wäre hineingetaucht in die kühlen Fluten und hätte alles hinter sich gelassen. Doch sie konnte Mathis auch ein wenig verstehen. Auch sie hatte viel Ungerechtigkeit und Leid in den letzten Monaten gesehen. Selbst wenn sie nicht glaubte, dass eine bloße Lanze, und wäre sie noch so heilig, daran etwas ändern konnte, so schätzte sie doch Mathis’ gute Absichten.
    »Also gut«, sagte sie schließlich. »Ich werde versuchen,

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