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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Ihr und die Heilige Lanze mit mir auf der Wartburg erscheint, in Ge­genwart all der durch den Krieg verunsicherten Fürsten, Herzöge, Grafen und Freiherren, dann wird ein Sturm die Habsburger vom Kaiserthron fegen. So viel ist sicher.«
    Agnes lachte leise. »Und wie stellt Ihr Euch das vor? Selbst wenn wir diese Reliquie finden – soll ich vielleicht mit Euch zur Wartburg ziehen und dort erzählen, ich sei eine Nachfahrin der Staufer, und das hier ist übrigens die Heilige Lanze? Man würde uns auslachen und vermutlich wegen Ketzerei verbrennen.«
    »Unterschätzt die Kraft von Geschichten nicht.« Melchior goss sich etwas von dem glutroten Wein in seinen Zinnbecher, kostete ihn und schnalzte genüsslich mit der Zunge. »Außerdem haben wir ja auch den Ring und vor allem die von Kaiser Friedrich selbst beglaubigte Urkunde. Zusammen mit meiner Ballade wäre dies ein starkes Zeichen an die Fürsten, die mit Kaiser Karl ohnehin nie recht warm ge­worden sind. Von Spanien aus lässt sich eben nur schwer ein so großes, zerstrittenes Reich wie das der Deutschen regieren.«
    »Meint Ihr etwa, Agnes soll Anspruch auf den Kaiserthron erheben?«, meldete sich nun Mathis und schüttelte ungläubig den Kopf. »Ist das wirklich Euer Ernst?«
    Melchior zuckte mit den Schultern. »Nicht sie als Frau. Aber an der Seite eines mächtigen Fürsten …«
    »Jetzt ist aber Schluss damit!«, unterbrach ihn Agnes wütend. »Ich lasse mich doch nicht wie irgendein dahergelaufenes Ross auf dem Pferdemarkt verscherbeln. Auch nicht an einen Fürsten.« Wütend sah sie hinüber zu Mathis. »Zum Teufel mit den Staufern und dieser Heiligen Lanze! Wenigstens von dir hätte ich etwas mehr Mitgefühl erwartet.«
    »Aber ich habe doch gar nicht …«, warf Mathis ein. Doch Agnes hatte sich schon abgewandt und war zur Reling gegangen. Missmutig starrte sie hinaus auf den in der Sonne funkelnden Fluss. Weit über ihr kletterten einige Seeleute in den Tauen, hinten am Heck brüllte der Steuermann seine Befehle, doch das alles nahm sie nur wie durch eine Wand wahr. Sie war ebenso zornig wie verwirrt. Im Grunde wusste sie selbst nicht, was sie als Nächstes tun sollte. Zurück zum Trifels konnte sie nicht, wenn sie sich nicht der Gewalt ihres rachsüchtigen Gatten aussetzen wollte. Und mit Melchior zu diesem Sängerwettstreit zu gehen, um aller Welt mitzuteilen, sie sei eine Nachfahrin der Staufer, kam für sie erst recht nicht in Frage. Bislang hatten sie nur beschlossen, den Rhein hinaufzufahren, ohne ein bestimmtes Ziel. Melchior und Mathis wollten ihr offenbar Zeit geben, mit sich selbst ins Reine zu kommen. Für den Barden war die Suche nach der Heiligen Lanze sicherlich der Höhepunkt ihres gemeinsamen Aben­teuers, er hoffte inbrünstig, dass sie ihn zur Wartburg be­gleitete. Und Mathis? War er an ihrer Seite, weil er sie liebte? Oder ging es ihm auch nur um irgendeine alte verrostete Lanze, die es aus irgendwelchen Gründen zu finden galt?
    Hinter ihr ertönten plötzlich Schritte. Kurz darauf spürte sie eine kräftige Hand auf ihrer Schulter. Es war Mathis, der sich nun neben ihr über die Reling lehnte und ebenfalls aufs Wasser hinausstarrte. Ein kleines Dorf mit Kirche und einigen reetgedeckten Häusern zog an ihnen vorbei. Mit einem Mal hatte Agnes eine schreckliche Sehnsucht nach einem stillen Leben, weit weg von Krieg, Burgen und alten Rittergeschichten.
    »Es … es tut mir leid, wenn ich dich gekränkt haben sollte«, begann Mathis zögerlich neben ihr. »Auch für mich ist das alles ein wenig viel. Das letzte Jahr reicht für ein ganzes Leben, wenn nicht sogar für zwei.« Er lachte leise. Dann nahm er ihre Hand und drückte sie. »Glaub mir, wenn es irgendetwas gibt, für das es lohnt zu kämpfen, dann ist das nicht diese gottverfluchte Lanze. Dann bist das du.«
    Agnes lächelte verstohlen, doch noch immer blickte sie nicht zu ihm hinüber. Mathis und sie waren sich in der letzten Woche sehr nahegekommen. Versteckt hinter ein paar Fässern hatten sie sich erst gestern Nacht geliebt, und es war sehr schön gewesen. In den letzten Wochen war Agnes’ Angst vor Männern immer mehr verschwunden. Barnabas’ Gesicht tauchte nur noch selten in ihren Träumen auf, und sie zuckte auch nicht mehr bei jeder zaghaften Berührung zusammen. Mathis hatte sich alle Mühe mit ihr gegeben, er war sanft und rücksichtsvoll gewesen, und ihre Liebe zu ihm war mehr und mehr gewachsen. Trotzdem war sie sich seiner noch nicht ganz sicher. Es war, als

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