Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
Vom Netzwerk:
die Bauern zunächst gebunden und schließlich durch das Unterholz gezerrt hatten. Auf Schleichwegen waren sie mit ihr und dem zusammengeschlagenen, bewusstlosen Mathis durch die Reihen der Landsknechte geschlüpft und schließlich in die Burg gelangt. An einem der Banner, die über dem von Feuern erhellten Lager der Angreifer wehten, hatte sie mit Schrecken erkannt, dass die Burg von den Männern ihres Gatten umstellt war. Mathis hatte sie seitdem nicht mehr gesehen. Noch immer wusste sie nicht, was die Bauern gerade eben mit ihm anstellten und ob er überhaupt noch lebte.
    Agnes schloss die Augen und dachte an die wenigen schönen Momente zurück, die sie beide seit ihrem Wiedersehen im Ingolstädter Heereslager miteinander verlebt hatten. So wie es aussah, waren es ihre letzten gemeinsamen Stunden ge­wesen.
    Über ihr befand sich ein quadratischer Schacht, der zu einer verschlossenen Steinplatte führte. In vier Schritt Höhe leuchteten schmale Streifen von Mondlicht durch zwei Schlitze in der Ostmauer. Agnes erinnerte sich, wie sie vor gut einem Jahr dort oben jenseits der Schlitze gestanden und mit Mathis geredet hatte. Über zwei Wochen hatte er damals in diesem dunklen, feuchten Loch ausharren müssen! Sie selbst spürte bereits nach einer guten Stunde, wie sich ihr Brustkorb verengte, so als würden sämtliche Steine des Bergfrieds auf ihr lasten. Hinzu kam ein klammes Gefühl, das sie sich nicht erklären konnte, wie das stete Anklopfen einer sich näh­ernden Ohnmacht. Als sie Mathis damals hier unten kurz besucht hatte, hatte sie das Gleiche empfunden, und auch im Speyerer Dom, als sie mit ihrem Vater dem feisten Händler Jakob Gutknecht einen Besuch abgestattet hatte. Agnes schüt­telte sich, um den aufwallenden Schwindel zu ver­treiben.
    Was um Himmels willen macht diese Burg mit mir?
    Mit einem Mal ertönte von oben ein Schaben, die Platte wurde zur Seite geschoben, und das breite Gesicht eines Bauern tauchte darin auf. Mit einer Fackel leuchtete er in die Tiefe.
    »He, Grafenflittchen!«, tönte er. »Bereit zur ersten Audienz in deinem herrschaftlichen Thronsaal? Hier kommt dein hübscher Prinz! Aber fass ihn bloß nicht an, sonst zerbricht er noch ganz!«
    Gelächter war zu hören, dann ließen zwei der Bauern an einem Seil eine Gestalt zu ihr hinunter, die leblos wie eine Puppe in der Schlaufe hing. Blut tropfte auf Agnes herab.
    Das Gesicht des Mannes war so zerschlagen, dass sie erst nach einer Weile erkannte, dass es sich tatsächlich um Mathis handelte. Seine Kleidung war zerrissen, der Kopf vornübergeneigt. Er sah aus wie ein Gehenkter.
    »Ihr … ihr Mörder!«, schrie Agnes zu den beiden Bauern hinauf. »Was habt ihr mit ihm gemacht?«
    »Beruhig dich, er lebt ja noch. Der Jockel hebt ihn sich für später auf.« Plötzlich hob der mondgesichtige Bauer drohend seine Stimme, so dass sie durch das Gemäuer hallte. »Wenn dein Herr Gemahl allerdings meint, er könnte den Trifels stürmen, dann machen wir kurzen Prozess mit euch. Wollen doch mal sehen, was dem Grafen sein Flittchen samt Nebenbuhler wert ist.«
    Er lachte und spuckte hinab in den Schacht. Dann ließ er das Seil los, woraufhin Mathis die letzten zwei Schritt wie ein Stein zu Boden stürzte. Er stöhnte leise auf, während oben die Platte wieder verschlossen wurde.
    »Mein Gott, Mathis! Was haben sie dir angetan?« Agnes kroch auf ihn zu und nahm seinen Kopf in den Schoß. Ihre Augen hatten sich bereits so weit an die Dunkelheit gewöhnt, dass sie sein Gesicht nun näher betrachten konnte.
    Mathis’ Lippen waren aufgeplatzt, Brocken von Blut verklebten Augen und Nase. Vorsichtig tastete Agnes den Schädel und die Wangenknochen ab, konnte aber außer einer großen Beule am Hinterkopf nichts Besorgniserregendes feststellen. Die Bauern hatten Mathis übel mitgespielt, doch wenigstens würde er es überleben.
    Die Wunden , dachte sie ängstlich. Aber sicher nicht das, was sie später mit uns vorhaben. Es sei denn, wir finden noch einen Ausweg …
    Sie griff nach einem Eimer, in dem sich ein wenig trübes, stinkendes Wasser befand, und wusch Mathis’ Gesicht, ­damit er wieder atmen und ein wenig sehen konnte. Er zitterte vor Schmerzen und Kälte. Mühsam blinzelte er zu ihr hinauf.
    »Es … es tut mir so leid, Agnes«, röchelte er. »Warum hab ich nur nicht auf dich gehört! Wir … wir hätten niemals zum Trifels zurückkehren sollen.« Mathis hustete und spuckte einen ausgeschlagenen Zahn aus. »Ich … ich liebe dich. Doch

Weitere Kostenlose Bücher