Die Burg der Könige
Eurer tatsächlich habhaft geworden wäre, samt Ring und Urkunde?«
»Ich will es mir überhaupt nicht vorstellen.«
»Es wäre zu einem gewaltigen Krieg gekommen«, fuhr Melchior unverdrossen fort. »König Franz hätte Euch gleich nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft zur Frau genommen. Mit einer Stauferin an seiner Seite hätte er vermutlich einen Teil der deutschen Fürsten auf seine Seite ziehen können, vor allem, wenn er noch dazu die Heilige Lanze in seinem Besitz gehabt hätte. Die Deutschen gieren nun mal nach Symbolen, und sie lieben ihre Staufer. Sie gelten als die letzten großen Kaiser, die dieses Reich hervorgebracht hat.«
»Danke, von Tanningen, nun werde ich bestimmt friedlicher sterben.«
Mathis, der bislang schweigend neben den beiden hergeritten war, musterte den vermeintlichen Barden abfällig. »Auch ich wollte schon immer mal für einen Kaiser mein Leben geben, der seine Untertanen darben und verhungern lässt«, ließ er sich vernehmen. Voller Verachtung spuckte er vor Melchior aus.
Melchior von Tanningen seufzte erneut. Dann blickte er nach vorne, wo Friedrich von Scharfeneck ritt.
»Meister Wielenbach, glaubt mir, wenn es nach mir gegangen wäre, wärt wenigstens Ihr auf freiem Fuß«, wandte er sich flüsternd an Mathis. »Ich kann Euch gut leiden. Was glaubt Ihr, warum ich Euch damals geholfen habe, aus dem umkämpften Geyer-Schloss zu fliehen? Warum ich Euch pflegte, als Ihr mit schwerem Fieber zu Bette lagt?«
»Vermutlich, weil Ihr dachtet, ich könnte Euch noch nützlich sein«, entgegnete Mathis bitter.
Der Barde lächelte. »Also gut, ich gestehe, dass ich nicht ganz uneigennützig gehandelt habe. Aber meine Zuneigung ist wirklich nicht gespielt!« Mit einer Kopfbewegung deutete er nach vorne. »Leider musste ich am Ende gemeinsame Sache mit diesem wahnsinnigen Mordbuben dort vorne machen. Ich hatte einfach keine andere Wahl, nachdem Agnes von den Bauern auf die Burg verschleppt worden war.« Er schüttelte den Kopf. »Einen wirklich unangenehmen Gatten habt Ihr da, edle Dame. Und dann immer diese Geschichten von seinem Schatz! Er ist ja ganz besessen davon.«
»Ich finde, Ihr passt hervorragend zusammen«, antwortete Agnes. »Ein Verrückter und ein gewissenloser Auftragsmörder. Wenn ich schon bald nicht mehr bin, könnt Ihr zwei gerne heiraten. Meinen Segen habt Ihr.«
Sie trat ihrem Pferd in die Seiten, so dass es in einen schnelleren Schritt fiel. Mathis folgte ihr, beobachtet von den Landsknechten, die immer in ihrer Nähe blieben.
»Was redest du da, Agnes«, sagte er leise. »Du darfst nicht aufgeben, niemals.«
»Ach, und was soll ich dann tun? Vielleicht hoffen, dass mein Gatte mir und dir vergibt und uns noch einen schönen Tag wünscht?«
Mathis dämpfte seine Stimme jetzt so stark, dass sie fast nicht mehr zu vernehmen war. »Heute früh, oben im Rittersaal, habe ich einen Dolch eingesteckt, den einer der toten Bauern bei sich hatte«, flüsterte er. »Ich trage ihn im Stiefelschaft. Diese trotteligen Landsknechte haben ihn bei der Durchsuchung nicht bemerkt und denken nun, dass ich hinke.« Er lächelte verstohlen. Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete er die drei Soldaten, die sich eben laut lachend unterhielten. »Wenn wir in Speyer sind, schneide ich in einem unbeobachteten Moment unsere Fesseln durch, und wir versuchen, gemeinsam zu fliehen. Unter all den Menschen in der Stadt werden sie uns schon bald aus den Augen verlieren.«
Agnes’ Herz klopfte heftig. Ein winziger Streifen Hoffnung zeigte sich am Horizont, jedoch zu klein, um sie wirklich zuversichtlich zu machen. »Und wenn sie uns trotzdem erwischen?«, fragte sie zögerlich.
Mathis sah sie grimmig an. »Dann schlitz ich mit meinem Dolch wenigstens noch dem Grafen die Kehle auf. Ich werde deinem Gatten jedenfalls nicht die Freude machen, mir beim Sterben zuzusehen.«
Düster starrte er in das Dickicht der Bäume, die wie eine grüne Wand links und rechts des Weges standen.
KAPITEL 24
Speyer, 27. Juni, Anno Domini 1525
ie erreichten Speyer am Abend des zweiten Tages, nachdem sie eine Nacht in einer schäbigen Dorftaverne verbracht hatten. Dort hatte Mathis schließlich erfahren, dass der Kampf der Bauern in der Pfalz endgültig vorüber war. In der fernen Stadt Pfeddersheim hatten die kurfürstlichen Truppen erst vor einigen Tagen Tausende Aufständische niedergehauen, erstochen oder verbrannt. Seitdem herrschte eine Art Friedhofsruhe entlang des Rheins.
Auch Mathis’
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