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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Manche von ihnen trugen Schussverletzungen oder waren von den Säbeln der Landsknechte zuvor niedergehauen worden, ihre Hemden waren zerrissen und blutgetränkt. Sie pendelten im lauen Sommerwind, während sich die ersten Krähen und Raben auf ihnen niederließen.
    »So ergeht es allen, die sich gegen die Obrigkeit auflehnen!«, rief Friedrich seinen Männern zu. »Nie wieder soll das Bauernvolk es wagen, die Hand gegen seine rechtmäßigen Herren zu erheben. Lasst sie dort oben hängen, bis die Knochen herabfallen.«
    Er schwang sich auf seinen Rappen, während Agnes und Mathis auf zwei klapprigen Gäulen festgebunden wurden. Außer Melchior von Tanningen und dem Grafen würden noch drei weitere Männer mit ihnen nach Speyer reisen, und zwar die Landsknechte, die bereits oben im Rittersaal dabei gewesen waren. Die übrigen Soldaten blieben bis zur Rückkehr Friedrichs auf der Burg zurück. Offenbar wollte der Graf vermeiden, dass zu viele vom Versteck der Reliquie erfuhren. Doch Agnes machte sich keine Illusionen. Allein Melchior von Tanningen hätte vermutlich ausgereicht, sie und den verletzten Mathis zu bewachen und am Ende umzubringen.
    Die kleine Gruppe setzte sich in Bewegung, und schon bald ließen sie die zerstörten Mauern des Trifels hinter sich. Über die niedergetrampelten Felder ging es hinein in den Wald, bis sie unterhalb des Sonnenbergs auf die Queich trafen und ­ihrem Lauf nach Osten folgten. Die wenigen Reisenden, denen sie in den nächsten Stunden begegneten, blickten ängstlich zur Seite. Die Menschen wussten, dass ein Zug mit schwer­bewaffneten Landsknechten und zwei gefesselten Gefangenen nichts Gutes verheißen konnte.
    Bislang waren sie meist schweigend geritten, der Graf und Melchior von Tanningen an der Spitze, die Soldaten am Ende des Zuges. Doch nun ließ sich der Barde zurückfallen, bis er auf Höhe von Agnes und Mathis war.
    »Erlaubt Ihr, dass ich spreche?«, wandte er sich an die Vogtstochter.
    Agnes zuckte mit den Schultern. Mittlerweile war ihr Hass auf den Verräter einer kalten Verachtung gewichen. »Ich bin Eure Gefangene, Tanningen«, sagte sie kühl. »Ihr könnt mit mir tun und lassen, was Ihr wollt. Auch sprechen. Aber erwartet nicht, dass ich Euch zuhöre.«
    Melchior nickte und schwieg. Seine Laute hatte er auf der Burg gelassen, statt der bunten Kleider trug er nun ein schwarzes Wams aus Samt und ebenso schwarze Beinlinge; der Degen mit dem filigranen Korbgriff steckte in einer ledernen Tasche neben dem Sattel. Einmal mehr fiel Agnes auf, wie sehnig und muskulös Melchior tatsächlich war. Die weite Kleidung hatte das bislang gut verborgen.
    »Wenn Ihr mir auch nicht zuhört, werde ich dennoch sprechen«, begann Melchior nach einer Weile erneut. »Glaubt mir, das alles hat sich anders entwickelt, als ich das vorhatte. Ich habe diesen Auftrag nicht gewollt. Früher, ja, da war ich auf Abenteuer aus und kannte keine Skrupel. Doch ich habe mich geändert, wirklich!« Er seufzte. »Ich weiß, es wird Euch nicht interessieren, doch meine Familie hat tatsächlich eine kleine Burg in Franken. Wir sind hochverschuldet, ebenso wie es Euer Vater gewesen ist. Man stellte mich vor die Wahl, entweder die Burg zu verlieren oder diesen letzten Auftrag anzunehmen.«
    Agnes lächelte spöttisch. »Ich weine gleich vor Mitleid.«
    »Spart Euch Eure Ironie.« Melchior sah sie bittend an. »Agnes, bei meiner Ehre, ich schätze Euch. Meine Zuneigung ist nicht vorgetäuscht. Als ich den Auftrag erhielt, eine Nachfahrin der Staufer aufzuspüren, dachte ich immer an irgendein blasses, ungebildetes Bürgerstöchterlein oder ein dummes Bauernmädel. Dass sich dieses Bauernmädchen als schöne, liebenswerte Dame des Adels herausstellte, ist äußerst unglücklich.«
    »Bemüht Euch nicht um Ausreden«, erwiderte Agnes. »Egal ob Bauernmagd oder Dame, Euer Auftrag ist es, einen unschuldigen Menschen zu ermorden.«
    »Ich weiß, es ist schwer zu begreifen, aber manchmal steht eben das Leben eines Einzelnen gegen das Wohl des ganzen Reiches. Was wiegt schwerer?« Melchior blickte in die Ferne, wo zwei Raubvögel über den Feldern ihre Bahnen zogen, schließlich wandte er sich wieder Agnes zu. »Ich habe Euch gesagt, dass der junge, unerfahrene Karl V. als Kaiser nicht allzu fest im Sattel sitzt und dass es nicht wenige deutsche Fürsten gibt, die ihn gerne wieder loshaben wollen. Wenigstens in dieser Hinsicht habe ich nicht gelogen. Könnt Ihr Euch vorstellen, was geschehen wäre, wenn König Franz

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