Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
Vom Netzwerk:
sie zunächst wie versteinert neben dem Grabmal gestanden, doch dann war plötzlich Friedrich auf sie zugestürzt, und sie war blindlings davongerannt, ohne weiter nachzudenken. Erst im letzten Moment fiel ihr ein, dass das Westportal ja versperrt war. Also entschied sie sich für einen der vorderen Türme, was sie letztendlich auf diese schmale Galerie geführt hatte. Während ihrer Flucht hatte Friedrich immer weiter aufgeholt. Als Agnes beinahe schon seinen Atem im Nacken spürte, war sie schließlich auf die Brüstung gesprungen, wo sie nun die Lanze nach draußen in die graue Morgendämmerung hielt.
    »Keinen Schritt weiter!«, keuchte sie. »Oder ich lasse los.«
    Der Graf blieb stehen und sah abschätzend in die Tiefe. Schließlich zuckte er mit den Schultern.
    »Die Lanze wird aufs Dach fallen, wo ich sie mir später hole. Wirf nur, dann kann ich mich voll und ganz dir widmen.« Er verzog den Mund zu einem bösen Lächeln. »Du weißt ja nicht, wie lange ich mir das schon wünsche.«
    »Du bist verrückt, Friedrich!«, sagte Agnes flehend. »Wach auf, ich … ich bin noch immer deine Frau!«
    »Eine Frau, die mich betrogen hat! Eine Frau, die ich einst liebte und begehrte und die mich sehr schwer enttäuscht hat.« Friedrich schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich hatte so große Hoffnungen in dich gesetzt, Agnes. Du warst so klug, so belesen und beinahe ebenso sehr in die alten Geschichten verliebt wie ich. Gemeinsam hätten wir den Normannenschatz finden können, bestimmt. Wir hätten …«
    »Es gibt keinen Normannenschatz, Friedrich! Sieh das doch endlich ein.« Agnes schob sich noch eine weitere Handbreit dem Abgrund entgegen. Alles war besser, als in Reichweite dieses Wahnsinnigen zu sein. »Das war immer nur ein Traum von dir«, fuhr sie beschwörend fort. »Ja, einst war der Schatz vielleicht auf dem Trifels, doch die Staufer haben ihn damals nach Apulien zurückgebracht. Vermutlich ist er längst in alle Winde zerstreut. Wach doch auf!« Sie sah ihn verzweifelt an. »Ich bitte dich, nimm diese Lanze und verschwinde endlich aus meinem Leben.«
    Der Graf verschloss die Lippen wie ein schmollendes Kind. »Es gibt diesen Schatz!«, fauchte er schließlich. »Und ich werde ihn finden. Du wirst mir das nicht ausreden. Du nicht und auch nicht mein Vater, dieser verfluchte Geizhals! Der Schatz ist irgendwo auf dem Trifels. Doch um die vielen Schatztruhen zu finden und zu bergen, brauche ich Geld, viel Geld. Und dieses Geld wird mir der Kaiser geben, wenn ich ihm die Lanze zurückbringe. Also rück sie endlich raus und …«
    Er trat einen Schritt vor. Im gleichen Moment erblickte ­Agnes eine Gestalt an der Ecke der Galerie, die aussah, als würde sie jeden Moment nach vorne stürmen. Überrascht schrie Agnes auf. Erst zu spät erkannte sie, dass es Mathis war, der sich auf ihren Gemahl stürzen wollte. Sie rutschte auf der vom Morgentau nassen Balustrade aus, taumelte noch einmal, dann stürzte sie mit rudernden Armen von der Galerie. Die Lanze entglitt ihren Händen und schlug auf dem schrägen Schieferdach auf, wo sie langsam nach unten rutschte und schließlich in der Regenrinne hängenblieb.
    Agnes selbst hatte im letzten Moment nach dem Sockel der Säule gegriffen, so dass sie nun mit einer Hand über dem Dach baumelte. Sie spürte, wie die Kraft sie langsam verließ, ihre Finger kribbelten, als würden Tausende von Ameisen darüberlaufen. Schließlich ließ sie ermattet los und fiel auf das harte Dach unter ihr. Sie überschlug sich und rollte dann über die rauen Schiefersteine der Regenrinne entgegen.
    »Mörder, Mörder!«, schrie Mathis irgendwo über ihr.
    Ein grauer Schatten erhob sich plötzlich von einem der Türme, glitt auf sie zu, und sie wurde ohnmächtig.
    Was in aller Welt …
    Das Letzte, was Agnes durch den Kopf ging, war, dass ihr dieser Schatten seltsam bekannt vorkam.
    Ein vertrautes Krächzen erklang.
    Mathis warf sich dem Grafen entgegen, und im gleichen Moment stürzte Agnes von der Galerie. Ihm war, als würde ein Dolch sein Herz durchbohren, dann prallte er wie ein Fels auf den Grafen und riss ihn mit sich zu Boden.
    »Mörder, Mörder!«, brüllte er immer wieder und trommelte auf Friedrich ein.
    Trotz seiner sehnigen Gestalt war der Graf äußerst kräftig. Er schleuderte Mathis quer durch die Galerie und zog seinen Degen.
    »Eigentlich dachte ich, dass dein Sterben länger dauern sollte«, keuchte Friedrich, von dem Aufprall noch ganz außer Atem. Ein dünnes Rinnsal Blut

Weitere Kostenlose Bücher