Die Burg der Könige
wollte Agnes nicht mehr aus dem Kopf gehen.
Unter der Linden, an der Heide, da unser zweier Bette war …
»Elisabeth meint, Köln ist die größte Stadt der Welt! So weit du auch gehst, überall sind Häuser. Man kann sich darin verlaufen wie in einem Wald, es sollen schon Leute verhungert und verdurstet sein, weil sie nicht mehr nach Hause gefunden haben …«
Unter nicht enden wollenden Wortkaskaden öffnete Margarethe vorsichtig die Knöpfe aus poliertem Horn und Silber. Seit ihre Cousine Elisabeth ihr vom fernen Köln erzählt hatte, wo sie als Magd in einem Wormser Handelskontor arbeitete, gab es für Margarethe kein anderes Thema mehr. Seit vielen Jahren war sie nun schon Agnes’ Zofe. Da sie nur wenige Jahre älter war als ihre Herrin, hatte sie früher sogar gelegentlich mit ihr Puppen gespielt. Doch Margarethe war Agnes schon damals meist zu einfältig und geschwätzig. Die Tochter eines Annweiler Wollwebers träumte von einem treuen und vor allem reichen Ehemann, der ihr ein besseres Leben bieten konnte als das einer Dienstbotin auf einer zugigen Burg. Dementsprechend bissig waren auch ihre Kommentare, wenn es um den Trifels ging.
»… und heimliche Gemächer haben die in Köln, nicht zu vergleichen mit den stinkenden Abortgruben bei uns im Wasgau«, sprudelte es aus ihr heraus. »Hier auf der Burg muss man ja schon von Glück reden, wenn man nicht mitsamt dem morschen Holz metertief nach unten in die Jauche fällt.« Sie zwinkerte ihrer Herrin zu. »Na ja, aber was man so hört, könnte sich das für Euch ja schon bald ändern.«
Von einem Augenblick auf den anderen war Agnes höchst aufmerksam. Sie drehte sich zu Margarethe um und starrte sie an.
»Was sagst du da?«
»Äh … nun, ich meine, Euer Vater hat so das eine oder andere gesagt …«
»Hast du etwa mal wieder gelauscht, Margarethe?«
Unter dem strengen Blick von Agnes begann die Zofe sichtlich zu schrumpfen. »Nun, ich … ich stand halt vor der Tür, als sich Euer Vater und der Schreiber unterhalten haben. Ich meine, der Herr Magister von Heidelsheim ist keine schlechte Partie …«
Agnes packte Margarethe hart am Arm. »Willst du damit sagen, dass mein Vater mich tatsächlich an Heidelsheim verschachert hat?«, flüsterte sie.
»Äh, nicht verschachert, nein. Sie … sie haben sich halt über Eure Zukunft unterhalten. Und der Herr von Heidelsheim würde sogar auf eine Mitgift verzichten.« Plötzlich bekam Margarethes Blick etwas Spöttisches, ihre Lippen kräuselten sich. »Ich finde, Ihr solltet froh sein, dass der Schreiber ein so gutes Angebot macht. Ich an Eurer Stelle …«
»Ich werde Heidelsheim nicht heiraten! Nicht diesen blassen, nach Zwiebeln stinkenden Schreiberling – niemals! Wenn eine Hochzeit schon unbedingt sein muss, dann soll sich mein Vater gefälligst nach einem Ritter oder dem Sohn eines Vogts umsehen.« Brüsk wandte sich Agnes von ihrer Zofe ab. »Und jetzt bring mir das Wams und die Beinlinge zum Reiten, ich brauche dringend frische Luft!«
Margarethe schnappte ein paarmal wie ein Fisch auf dem Trockenen, dann nickte sie kühl. »Die Beinlinge zum Reiten. Wie Eure Exzellenz wünschen«, säuselte sie betont vornehm. Sie schüttelte den Kopf.
»Wenn du was zu sagen hast, dann raus mit der Sprache!«, befahl Agnes.
»Nun …«, Margarethe rang mit sich, doch dann brach es aus ihr heraus, »eine Frau in Beinlingen, das … das gehört sich einfach nicht! Und dann noch dieser Falke. So etwas ist doch Männersache!« Verschwörerisch senkte sie die Stimme. »Es mag die Herrin interessieren, dass man sich in Annweiler schon den Mund über Euch zerreißt.«
»Ich fürchte, dass dein Mund daran einen nicht unbedeutenden Anteil hat.« Agnes streifte sich das offene Kleid über die Schultern, so dass sie nur im dünnen Hemd in der zugigen Kemenate stand. Kurz überlegte sie, Margarethe wegen ihrer Frechheiten in die Schranken zu weisen, doch dann wischte sie den Gedanken beiseite. Sie kannten sich schon zu lange, außerdem durfte sie nicht riskieren, dass Margarethe sie bei ihrem Vater wegen des gelegentlichen heimlichen Reitens anschwärzte. Es war ein stilles Übereinkommen, dessen Lohn für Margarethe darin bestand, dass sie ihre Herrin gelegentlich brüskieren durfte.
»Und jetzt bring mir endlich die Beinlinge!«, sagte Agnes barsch. »Und pass um Himmels willen auf, dass es niemand sieht.«
»Sehr wohl, Hoheit.«
Ohne ein weiteres Wort wandte sich Margarethe ab und verließ mit lautem
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