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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Ritterhaus, im hinteren Teil des Burghofs. Agnes öffnete das schiefe Gatter des Schuppens und sog mit geschlossenen Augen den Geruch von Stroh, Holz und Mist in sich auf. Einst hatten hier bestimmt ein Dutzend prächtige Reittiere gestanden, doch mittlerweile beherbergte der Stall nur noch drei Pferde, wovon eines hinkte und ein weiteres so alt war, dass es wohl schon bald zum Schlachter gebracht werden musste. Der große Fuchs, der im rechten Verschlag gemächlich seinen Hafer kaute, gehörte Agnes’ Vater. Er hatte ihr erlaubt, dass sie ihn gelegentlich ausführte, aber wie oft sie wirklich mit dem Tier ausritt, davon hatte er keine Ahnung. Im Augenblick war Philipp von Erfenstein mit dem alten Schimmel unterwegs nach Neukastell, um den dortigen herzoglichen Verwalter um eine Minderung der Abgaben zu bitten. Sein eigenes Pferd hatte der Ritter wohlweislich auf dem Trifels gelassen; bei dem Wert, den es darstellte, kam der herzogliche Vogt sonst nur auf dumme Gedanken.
    »Ist schon gut, Taramis«, beruhigte Agnes den prächtigen, hochgewachsenen Fuchs, der bei ihrem Anblick freudig zu wiehern begann. »Wir beide machen einen Ausritt. Wie findest du das?«
    Sie steckte Taramis ein Stück gedörrten Apfel ins Maul, den sie zuvor noch in der Küche stibitzt hatte. Als sie hinter sich Schritte hörte, drehte sie sich um in der Erwartung, den alten Stallmeister Radolph zu sehen. Doch es war Martin von Heidelsheim, der sich ihr näherte.
    Bevor Agnes reagieren konnte, war der Kämmerer in den Stall getreten und schloss hinter sich die Tür. Dämmriges Mittagslicht fiel durch die morschen Bretter und warf einen Schatten auf sein Gesicht. Agnes spürte einen dicken Klumpen in ihrem Hals.
    »Margarethe hat mir gesagt, dass Ihr hier seid«, begann er lächelnd. »Sie lässt Euch schön grüßen.« Als er Agnes’ empörten Gesichtsausdruck sah, hob er entschuldigend die Hände. »Ihr dürft ihr nicht böse sein. Sie meint es nur gut mit Euch.«
    »Offenbar meint es jeder auf dem Trifels nur gut mit mir.« Trotzig verschränkte Agnes die Arme und musterte Heidelsheim, während sie sich an einen der Stützbalken lehnte. Sie versuchte die Angst niederzukämpfen, doch ihre Stimme zitterte leicht. »Und? Was kommt nun? Wollt Ihr Euch ein zweites Mal an mir vergehen? Gebt gut acht! Wenn Ihr mich auch nur mit dem kleinen Finger anlangt, schrei ich so laut, dass mein Vater Euch sämtliche Knochen bricht.«
    »Nun, leider weilt Euer Vater gerade auf Neukastell und wird Euch nur schwerlich hören können.« Heidelsheim grinste. »Aber keine Angst, Euch soll kein Leid geschehen.«
    Er deutete einladend auf einen Strohballen, der neben ihm in einer Ecke stand. Als Agnes sich nicht rührte, ließ er sich selbst seufzend dort nieder.
    »Es tut mir wirklich leid, was da vor ein paar Tagen geschehen ist«, begann er sanft. »Es … es war ein Versehen, glaubt mir. Ich bin ein Ehrenmann!« Er klopfte sich auf die Brust. »Trotzdem war mein Antrag ehrlich gemeint.«
    Agnes sah stur geradeaus, die Arme immer noch verschränkt. Fieberhaft überlegte sie, wie sie Heidelsheims Erwartungen ein für alle Mal zerschlagen konnte.
    »Vergesst es. Ich … ich bin schon einem anderen versprochen«, kam es plötzlich über ihre Lippen. Im gleichen Augenblick fiel ihr ein, wie lächerlich diese Ausrede war. Ein Gespräch mit ihrem Vater, und Heidelsheim wusste, dass sie gelogen hatte. Der Kämmerer stutzte. Er schien mit sich zu ringen, dann verzog sich sein Mund plötzlich zu einem bösen Lächeln.
    »Ach, und wem seid Ihr versprochen?«, fragte er betont arglos. »Dem ehrwürdigen Sir Lancelot oder vielleicht König Artus höchstpersönlich? Nein, wartet! Es ist nicht etwa dieser schmutzige Sohn vom Schmied, mit dem Ihr Euch so gerne herumtreibt?« Abrupt verschwand sein Grinsen, und die Stimme bekam einen ernsten, dringenden Unterton. »Agnes, versteht doch! Ich bin das Beste, was Euch widerfahren kann! Nicht jeder nimmt eine verträumte Vogtstochter zur Frau, noch dazu eine, die nichts zu bieten hat als einen Falken und ein paar Kleider, die nicht einmal ein Ziegenhirte tragen würde.« Verächtlich blickte er auf Agnes’ fleckige Lederbeinlinge. »Überlegt es Euch also gut. Ich frage kein weiteres Mal.«
    »Umso besser.« Agnes nahm Taramis beim Zügel und führte ihn auf die angelehnte Stalltür zu. »Es wird nämlich kein Jawort geben, Heidelsheim, selbst wenn Ihr meinen Vater um den Finger gewickelt habt. Eher fliehe ich in die Wälder. Und nun

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