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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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schlohweißen Haar und den tiefen Falten im Gesicht strahlte er die Autorität eines erfahrenen Ratsherrn aus, der schon viele Kriege gesehen hatte. Zitternd, aber mit er­hobenem Haupt wandte er sich an die Männer am Tisch. »Glaubt mir, ich war als junger Mann dabei, als sich die Bauern vor über dreißig Jahren schon einmal erhoben haben, unter dem Banner des Bundschuhs. Und was hat es ihnen damals gebracht? Nur Tod, Leid und noch mehr Hunger! Auf Aufruhr steht der Galgen, wenn nicht sogar der Scheiterhaufen. So etwas ist mit uns Annweiler Bürgern nicht zu machen.«
    »Eine weise Entscheidung. Es reicht durchaus, wenn einer von euch brennt.«
    Mathis blickte verdutzt zur offenen Tür, von woher die leise Stimme gekommen war. Während des hitzigen Wortgefechts war keinem aufgefallen, dass dort schon seit einiger Zeit der Annweiler Stadtvogt stand. Wie am Tag der Hinrichtung trug Bernwart Gessler eine pelzverzierte schwarze Schaube und ein ebenso schwarzes Samtbarett, unter dem ein hageres Gesicht mit buschigen Augenbrauen hervorlugte. Hinter Gessler bemerkte Mathis drei, vier Stadtbüttel, bewaffnet mit Hellebarden und Armbrüsten, die mit grimmigen Gesichtern auf Befehle warteten. Irgendjemand musste dem Vogt das Treffen verraten haben.
    »Deine aufrührerischen Reden sind mir schon lange ein Dorn im Auge, Schäfer«, sagte Gessler nun und musterte den Jockel mit einer Mischung aus Abscheu und Interesse. »Jetzt durfte ich sie einmal selbst erleben. Ich muss sagen, äußerst … unterhaltsam.« Er lächelte schmal, dann wandte er sich an die Annweiler Bürger und Handwerker, die wie versteinert auf ihren Stühlen saßen. »Habt ihr wirklich gedacht, eure kleinen Treffen würden vor mir verborgen bleiben?« Er hob einen Geldsack, der an seinem Gürtel hing, und klimperte damit. »Es gibt immer einen, der redet. Das solltet ihr eigentlich am besten wissen.«
    »Eure Exzellenz, wir … wir bitten um Verzeihung. Das hier ist beileibe nicht das, wonach es aussieht.« Es war der Wollweber Markschild, der als Erster zu sprechen wagte. Er zitterte und fuhr sich nervös über die bleiche Stirn.
    »Ach, wonach sieht es denn aus?«, zischte Bernwart Gessler mit befehlsgewohnter Stimme. »Nach einem gemütlichen Frühschoppen von braven Bürgern oder doch eher nach einer Verschwörung mit dem Ziel, mich, den vom Herzog eingesetzten Annweiler Stadtvogt, zu stürzen? Sprecht, Markschild! Und überlegt Euch genau, was Ihr sagt. Es könnte das Letzte sein, was ich von Euch höre, bevor ich Euch den Behörden in Zweibrücken übergebe.«
    Während der Wollweber nach Worten rang, beobachtete Mathis den Stadtvogt, der nun mit angewiderter Miene das stickige, nach Bier und Männerschweiß stinkende Hinterzimmer betrat. Bernwart Gessler war ein Mann, der leise, aber entschieden auftrat und den immer eine machtvolle Aura zu umgeben schien. Erst vor einigen Jahren hatten die Annweiler Bürger gegen die harten Tributforderungen des Herzogs aufbegehrt; Seine Hoheit Ludwig II. hatte daraufhin Truppen aufmarschieren lassen und Gessler als neuen Stadtvogt in Annweiler eingesetzt. Seitdem regierte Ludwigs bester Mann mit unerbittlicher Härte. Steuern und Abgaben wurden willkürlich festgesetzt; teures gegerbtes Kalbsleder als sogenannter Kriegstribut konfisziert und ganze Familien so in den Ruin getrieben.
    »Wir … wir wollten Eure Exzellenz doch nur um eine Unterredung im Rat bitten«, stammelte der Wollweber Markschild und knetete nervös die Hände. »Wegen der hohen Abgaben.«
    »Ach, und dafür muss man sich heimlich in Hinterzimmern treffen und den Reden eines Ketzers lauschen?«, blaffte Gessler.
    »Wenn Ihr gut zugehört habt, Herr Vogt, dann wisst Ihr, dass wir keinen Aufstand geplant haben«, ließ sich der alte Nepomuk Kistler mit beruhigender Stimme vernehmen. »Doch die Zinsen sind wirklich zu hoch. Wir befürchten …«
    »Mit Verschwörern lasse ich mich auf keine Diskussionen ein. Das wird noch ein Nachspiel haben, Kistler! Das verspreche ich Euch. Und jetzt holt euch endlich diesen dreckigen Schäfer, damit er auf der Streckbank singt!«
    Die letzten Worte waren an die Büttel im Hintergrund gerichtet, die nun mit erhobenen Hellebarden drohend auf den leichenblassen Jockel zukamen. Der Schäfer hatte die ganze Zeit nichts gesagt. Er hatte die Lippen zusammengepresst, seine Augen glitzerten vor kalter Wut. Jetzt sprang er plötzlich auf und schob sich wie eine aufgescheuchte Spinne an der Wand entlang, weg von den

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