Die Burg der Könige
entschuldigt mich.«
Sie wollte eben aufsitzen, als sie Heidelsheims Hand an der Schulter spürte. Seine dünnen Finger krallten sich in ihre Haut und drückten sie zu Boden.
»Nur nicht so hochnäsig, Comtessa!«, zischte er. »Dafür hast du verzogene, mitgiftlose Göre nun wirklich keinen Grund. Und wenn du glaubst, du könntest weiter mit diesem … diesem dreckigen Schmiedgesellen poussieren, dann lass dir gesagt sein, dass er nicht mehr lange auf dieser Burg arbeiten wird.«
Agnes erstarrte, ganz langsam drehte sie sich zu Heidelsheim um. »Wie meint Ihr das?«
»Wie ich das meine?« Heidelsheim lächelte hinterhältig, als er ihren sorgenvollen Blick bemerkte. »Nun, der Geschützmeister und ich haben heute vor dem Gottesdienst die Waffenkammer inspiziert. Und was mussten wir da feststellen? Da fehlt doch tatsächlich eine unserer Arkebusen! Vielleicht weiß ja dein kleiner Schmied, wo sie geblieben ist? Es ist schließlich bekannt, dass er sich für derlei Zeug interessiert.«
Agnes’ Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, doch sie antwortete betont ruhig: »Mathis hat damit nichts zu tun.«
»Ach, und was war das für ein Krach vor ein paar Tagen im Wald? Übrigens, der Burgmann Sebastian schwört Stein und Bein, er hätte just an diesem Tag den Mathis mit einem großen Stück Tuch über der Schulter verschwinden sehen. Mit einem sehr großen Stück Tuch, in das ganz offensichtlich etwas Schweres eingewickelt war.« Heidelsheims blasses Gesicht war jetzt so nah, dass Agnes einmal mehr die widerliche Mischung von Zwiebeln und Schnaps in seinem Atem riechen konnte. »Was wohl dein Vater zu alldem sagen wird?«, fragte er leise, während er Agnes mit seiner kalten Hand über die Wange strich.
Plötzlich klang seine Stimme wieder liebevoll und einschmeichelnd. »Ich mach dir einen Vorschlag, Agnes. Ich halte meinen Mund, damit der kleine Mathis auch in Zukunft hier Nägel und Hufeisen schlagen darf, und du sagst ja zu mir. Glaub mir, es ist für uns alle das Beste.« Heidelsheim lächelte verzerrt und fuhr ihr gleichzeitig mit dem Finger vom Kinn bis hinunter zum Ausschnitt. »Für dich, mich und für den Mathis. Na, was sagst du …«
Plötzlich riss er den Mund auf und stöhnte leise. Agnes hatte ihm ihr Knie genau zwischen die Beine gerammt.
»Das … das wirst du mir büßen, du Flittchen«, ächzte Heidelsheim, während er sich vor Schmerzen krümmte. »Du und dein lieber Mathis, euch werde ich …«
»Schweigt! Ihr seid so jämmerlich, Heidelsheim, dass mir allein von Eurem Anblick schlecht wird.« Agnes hatte sich nun zu ihrer vollen Größe aufgerichtet, wie eine zornige Königin blickte sie auf den zusammengekrümmten Kämmerer hinab. »Wie könnt Ihr es wagen, mir zu drohen? Mir, der Herrin vom Trifels !«
Weder über den Stoß noch über diese Worte hatte Agnes länger nachgedacht. Doch kaum hatte sie den Satz ausgesprochen, kam ihr die eigene Äußerung plötzlich seltsam fremd vor. So als wäre sie von jemand anderem gekommen und nicht von ihr selbst. Auf einmal fühlte sie sich wieder sehr jung und verletzlich.
»Herrin vom Trifels, pah!« Martin von Heidelsheim drückte sich noch immer mit schmerzverzerrtem Gesicht die Hände an den Schritt. »Eine billige, hochnäsige Vogtstochter, das bist du! Und wenn dein Vater einmal nicht mehr ist, bist du nicht einmal mehr das. Sondern nur noch ein Niemand ohne Land und Besitz.«
»Und Ihr seid ein nach Zwiebeln stinkender, wichtigtuerischer Schreiberling. Mehr nicht.«
Ohne Heidelsheim eines weiteren Blickes zu würdigen, schwang sich Agnes aufs Pferd und gab Taramis die Sporen. Mit hasserfülltem Gesicht griff Martin von Heidelsheim nach den Zügeln, doch in diesem Augenblick stieg der Fuchs wiehernd hoch.
Erst in letzter Sekunde warf sich Heidelsheim zur Seite. Taramis preschte nach vorne und fegte das angelehnte Tor zur Seite. Tief über den Hals des Tieres gebeugt, galoppierte Agnes hinaus auf den Burghof.
»Ein Niemand!«, hörte sie hinter sich Martin von Heidelsheim kreischen. »Merk dir das! Ein Niemand!«
Aber da hatte Agnes schon die Rampe zur Unterburg erreicht. Die Hufe des Pferdes schlugen wie Hämmer auf die Pflastersteine, und sie rauschte mit wehenden Haaren durch das offene Burgtor, dem Wald entgegen.
Minutenlang war Agnes nicht in der Lage, einen einzigen vernünftigen Gedanken zu fassen. Die Welt um sie herum war wie ein Tunnel aus grünen und braunen Farben, Taramis galoppierte den Hang hinab und am
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