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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Stadtknechten. Die übrigen Männer, die ihm bislang so andächtig gelauscht hatten, kauerten währenddessen still auf ihren Stühlen und hielten den Blick gesenkt. Es war, als hätte der Jockel von einem Augenblick auf den anderen die Pest bekommen.
    »Ist das euer Dank?«, zischte er und spuckte dann verächtlich aus. »Ist das der Lohn dafür, dass ich euch die Augen geöffnet habe? Gemurrt und geflucht habt ihr, und jetzt, da der Stadtvogt nur den Finger krümmt, kuscht ihr wie junge Köter. Ihr Feiglinge! Ist denn keiner hier im Raum, der den Mut besitzt, sich gegen den Gessler und seine Handlanger zu erheben? Kein Einziger?«
    Doch die Männer schwiegen weiter. Mathis kamen sie plötzlich alle sehr verletzlich und schwach vor, selbst der stämmige Gastwirt Diethelm Seebach duckte sich wie ein altes Weib. Mathis musste daran denken, wie aufgeregt er gewesen war, bevor er zu diesem Treffen gegangen war. Er hatte das Gefühl gehabt, einer verschworenen Gemeinschaft beizutreten, die gegen die Ungerechtigkeiten in der Welt kämpfte. Doch jetzt erfüllte ihn nur noch ein unaussprechlicher Ekel. Diese Männer waren wie sein Vater – Jammerlappen, die nur klagten und sich grämten, anstatt wirklich etwas verändern zu wollen!
    Ohne weiter darüber nachzudenken, sprang er auf, packte den schweren Eichentisch mit beiden Händen und kippte ihn um. Es war leichter, als er gedacht hatte. Weingläser und Bierhumpen zerschellten klirrend am Boden; die Anwesenden schrien, stürzten, ein allgemeines Chaos entstand. Die Büttel, die sich dem Schäfer-Jockel bereits bis auf wenige Schritte genähert hatten, stolperten nun über Stühle und Männer, die fluchend am Boden lagen. Der Jockel sah sich kurz um, dann rannte er, trotz seines Buckels erstaunlich flink, auf den Ausgang zu, wo noch immer Bernwart Gessler stand.
    »Haltet ihn auf!«, schrie der Stadtvogt. »Haltet den Kerl auf, verflucht noch mal!«
    Gessler selbst machte einen halbherzigen Versuch, Jockel am Hemdkragen zu packen, doch dieser entzog sich ihm und gab dem schmächtigen Vogt einen Stoß, so dass er in einer Lache aus Bier und Wein ausrutschte. Als Gessler sich wieder aufrappelte, hing ihm das Barett schief ins Gesicht, die teure Pelzschaube war mit Dreck verschmiert.
    »Dafür brennst du, Ketzer!«, keifte er dem flüchtenden Jockel hinterher. »Du und deine verdammten Helfershelfer, bei Gott, dafür brennt ihr!«
    Der zornige Blick des Vogts wanderte durch den Raum und blieb plötzlich an Mathis hängen, der entsetzt zurückgewichen war. »Du warst das!«, schrie Gessler. »Du hast ihm geholfen! Schnappt euch den Burschen!«
    Wieder reagierte Mathis, ohne groß nachzudenken. Er tauchte unter dem Griff eines Büttels durch, sprang über den jammernden Apotheker Sperlin hinweg, der verzweifelt seinen Zwicker suchte, und eilte auf die offene Tür zu, wo noch immer Bernwart Gessler stand. Die Hand des Stadtvogts schnappte nach ihm, doch Mathis war schneller. Hakenschlagend lief er durch die vordere Wirtsstube, wo ihm einige der alten Männer verdutzt nachstarrten, hinaus auf die Gasse und auf den Mühlbach zu, während hinter ihm noch immer der Vogt zeterte.
    »Holt euch den Kerl! Er und der Jockel dürfen nicht entkommen, sonst sperr ich euch eigenhändig in den Hungerturm!«
    Mit wild klopfendem Herzen sah sich Mathis nach einem Versteck um. Um kurz zu Atem zu kommen, duckte er sich in eine benachbarte Türnische, da sah er hinter einem mit Mist beladenen Karren den Schäfer-Jockel hocken. Der sonst so selbstbewusst auftretende Mann zitterte; wie ein gehetztes Wild lugte er angstvoll hinter der stinkenden Fuhre hervor. Als er Mathis erkannte, atmete der Schäfer sichtbar erleichtert auf.
    »Du musst sie ablenken, Bub!«, flüsterte er. »Nun lauf schon!«
    »Aber … aber dann werden sie mich erwischen«, entgegnete Mathis unsicher.
    »Ha, was soll dir schon groß geschehen? Ein Rotzlöffel, dem gerade mal der Flaum sprießt. Sie werden dir höchstens den Hintern versohlen, glaub mir.« Jockels Stimme klang jetzt wieder so sanft und einschmeichelnd, wie Mathis sie schon oft gehört hatte. »Mich dagegen werden sie auf dem Scheiterhaufen verbrennen, du hast es selbst gehört. Willst du das, mein Junge? Sag, willst du das?«
    Mathis schüttelte schweigend den Kopf.
    »Na also. Dann tu, was ich dir gesagt habe, und renn, verflucht noch mal! Ich werd’s dir schon irgendwann zurückzahlen.«
    Kurz zögerte Mathis, doch als er die flehenden Augen des Schäfers sah,

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