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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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kehrte die Wut zurück. Kalte Wut, die sich durch sein Inneres fraß. Dieser Mathis war ihm schon immer zuwider gewesen, der ganze Kerl strahlte Trotz und Aufruhr aus. Kein Wunder, dass der Stadtvogt ihn hängen lassen wollte. Und er würde hängen, o ja, das würde er! Die beiden Liebchen wollten Philipp von Erfenstein die Wahrheit erzählen? Nun gut, dann würde auch er die Wahrheit erzählen, die ganze Wahrheit. Alles, was er wusste.
    Heidelsheim lächelte böse, dann fasste er einen Plan.
    Mit einer lautlosen Melodie auf den Lippen wanderte er durch den Wald, den die Nachmittagssonne in ein trübes, unwirkliches Licht tauchte. Ja, schon morgen würde er seinen Plan in die Tat umsetzen. Alle sollten es erfahren! Dass er damit seine Anstellung in der Burg gefährdete, war Heidelsheim reichlich egal. Kluge, geschickte Kämmerer wie er fanden immer einen Posten. Und suchten die Scharfenecks nicht gerade einen neuen Burgverwalter? Erst letzten Monat hatte er der einflussreichen Familie einen Besuch abstatten dürfen, um einige Dokumente zu übergeben.
    Heidelsheim hatte eine nur ihm bekannte Abkürzung gewählt, die ihn über schmale, kaum erkennbare Wildwechsel zur Ostflanke des Trifels führen würde. Er war ohnehin schon viel zu lange auf dieser Drecksburg, es war an der Zeit, sich nach etwas anderem umzuschauen.
    Nachdem er etwa die Hälfte des Weges zurückgelegt hatte, machte Heidelsheim eine merkwürdige Entdeckung. Verdutzt blieb er stehen und musterte die Stelle genauer. Die Spuren waren frisch, außerdem war er sich sicher, etwas Derartiges hier noch nie gesehen zu haben.
    »Was zum Teufel …«, murmelte er und beugte sich zu den Spuren hinunter. Mit den Fingern fuhr er durch die weiche Erde.
    In diesem Augenblick ertönten knisternde Schritte auf dem Waldboden, der mit einer dicken Schicht trockener Buchenblätter bedeckt war. Heidelsheim sah auf, und sein Gesicht verzog sich zu einer Maske grenzenlosen Erstaunens.
    »Ihr hier?«, stammelte er. »Aber warum …«
    Es folgte ein leises Klicken und ein stechender Schmerz, der sich von Heidelsheims Bauch aus über den ganzen Körper ausbreitete. Als der Kämmerer mit offenem Mund an sich hinunterblickte, sah er einen gefiederten Armbrustbolzen in seinem Wams stecken.
    »Aber … aber …«, begann er erneut. Doch da fuhr ihm bereits ein zweiter Bolzen in den Hals. Heidelsheim stürzte zu Boden und sah, wie sein Blut über die Buchenblätter sprudelte und im vom Frost ausgetrockneten Waldboden versickerte.
    »Ich … verstehe … nicht …«
    Das Letzte, was seine brechenden Augen wahrnahmen, waren ein Paar blankgeputzter Lederstiefel, die direkt vor ihm standen.
    Die Stiefel entfernten sich, und schon bald war nur noch das friedliche Rufen eines Kuckucks zu vernehmen.
    ***
    Am Nachmittag näherte sich der Trifelser Vogt Philipp von Erfenstein nach einer Stunde Ritt auf seinem klapprigen Gaul der Burg Neukastell. Der herzogliche Verwaltungssitz war eine massive Festung, die über dem kleinen Ort Leinsweiler thronte und zum Teil geradewegs aus dem Felsen herausgeschlagen worden war. Dahinter fiel das Land steil in die Tiefe und gab den Blick frei auf die Rheinebene, die bis zum milchigen Horizont reichte.
    Erfenstein schnaufte schwer. Der letzte Teil des Weges war steil und mühsam gewesen, immer wieder hatte er absteigen und das Pferd führen müssen. Und er war beileibe nicht mehr der Jüngste. Einen kurzen Augenblick bereute der Vogt, seinen prächtigen Fuchs nicht mitgenommen zu haben, doch dann dachte er an den gierigen Blick des herzoglichen Verwalters. Taramis war ein zu wertvoller Gefährte, um ihn dem Herzog als Zahlung zu überlassen. Er war eine der letzten Erinnerungen, die Erfenstein an seine Zeit als stolzer Ritter noch hatte. Das Pferd – und die Rüstung, die in Truhen gut verwahrt auf bessere Zeiten wartete.
    Philipp von Erfenstein drückte das Kreuz durch und trieb den lahmen Gaul zur Eile an. »Nun mach schon, alte Mähre! Oder soll ich dich gleich zum Annweiler Schinder bringen?« Das Vieh war störrischer als ein alter Esel! Mit seinen fast sechzig Jahren spürte der Ritter jeden einzelnen Knochen. Frühere Schlachten, Turnierkämpfe und die zugigen Nächte auf der Burg hatten ihren Tribut gefordert und seine Glieder mürbe werden lassen. Nur mit Branntwein konnte er die Schmerzen noch bändigen.
    Ermüdet vom beschwerlichen Ritt blickte der Vogt empor zu der herzoglichen Festung, zu deren Haupttor eine breite gepflasterte Rampe führte.

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