Die Burg der Könige
wenn er mich nicht vorher selbst aufknüpft!«
»Red keinen Unsinn, Mathis. Keines von beidem wird er tun. Der eingebildete Annweiler Stadtvogt ist ihm schon lange ein Dorn im Auge. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass der Gessler wegen eines einfachen Schmiedgesellen gleich eine Fehde vom Zaun bricht.« Sie stockte. »Eines allerdings müssen wir vorher noch erledigen.«
»Und das wäre?«
»Wir müssen meinem Vater von der gestohlenen Arkebuse erzählen. Wenn wir es nicht machen, wird es ein anderer tun.«
Müde ließ sich Agnes neben Mathis auf den Baumstamm fallen und erzählte ihm von Heidelsheim und dessen Plänen. Mathis hörte schweigsam, beinahe stoisch zu, während er nur hin und wieder die Fingerknöchel knacken ließ. Schließlich sprang er auf und trat so heftig gegen eine morsche Birke, dass sie ächzend zur Seite kippte.
»Dieser lüsterne Drecksack!«, schimpfte er. »Ich bring ihn um! Ich wusste schon immer, dass Heidelsheim es auf dich abgesehen hat. Schon als du ganz klein warst, hat er dir immer so schmierig hinterhergestarrt. Den Hintern werde ich diesem Sesselpuper aufreißen, wenn er mir noch mal über den Weg läuft. Ich werde ihn …«
»Mathis! Mathis, hör auf!« Zunächst leise flehend, dann immer lauter versuchte sich Agnes bei ihrem tobenden Freund Gehör zu verschaffen. Nun sank sie weinend zusammen. »Verstehst du denn nicht? Heidelsheim wird mich heiraten! Er und mein Vater haben das so vereinbart. Selbst wenn du deinen Hals aus der Schlinge ziehst und mein Vater dich nicht an den Stadtvogt ausliefert, wird nichts mehr so sein, wie es einmal war! Heidelsheim wird mich zur Frau nehmen. Und dann bringt er mich nach Worms, wo ich in irgendeinem kleinen Häuslein sticken und schrubben und mir die Augen aus dem Kopf weinen werde. Du wirst mich nie mehr wiedersehen! So ist der Lauf der Welt, daran kann nicht mal der liebe Herrgott etwas ändern.«
Agnes’ Stimme hallte so laut durch den Wald, dass sie beide einen Moment lang erschrocken innehielten. Hatte sie etwa jemand gehört? Die Büttel des Stadtvogts vielleicht? Doch nichts geschah. Nur Taramis blickte Agnes mit großen braunen Augen an, als wollte er ihr Trost zusprechen.
»Lass uns gehen«, sagte Mathis schließlich.
Agnes trocknete sich die Tränen und sah mit rotgeweinten Augen zu ihm auf. »Wohin denn?«
»Wohin wohl, du dumme Liese? Zu deinem Vater natürlich. Es scheint, als gäbe es einiges, was wir mit ihm besprechen müssen.«
»Aber …«
In einer fließenden Bewegung zog Mathis sich an Taramis hoch, nahm im Sattel Platz und reichte Agnes die Hand. »Nun komm schon. Heulen bringt uns jetzt auch nicht weiter. Wenn dein Vater schon explodieren muss, dann lieber gleich. Und wer weiß, wenn sein Zorn verraucht ist, dann lässt er ja vielleicht auch noch wegen Heidelsheim mit sich reden. Auch er kann nicht wollen, dass seine Tochter ein solches Schwein heiratet.«
Agnes stieg auf, und gemeinsam ritten sie auf Taramis durch den Wald. Mit klopfendem Herzen hielt sie sich an Mathis fest, der mit losen Zügeln und fahlem, grimmigem Gesicht der Burg entgegenpreschte.
Hasserfüllte Augen starrten ihnen aus einem nicht weit entfernten Dickicht hinterher. Erst als das Galoppieren verklungen war, trat Martin von Heidelsheim hinaus auf den Feldweg und spuckte verächtlich aus. Dann stapfte er den schlammigen Weg hinauf zur Burg, während das Blut noch immer wild in seinem Kopf rauschte.
Flittchen, verfluchtes Flittchen!
Als Agnes mit dem Pferd aus dem Stall geritten war, war ein Zorn in Heidelsheim aufgestiegen, so gewaltig, dass er meinte, platzen zu müssen. Wie hatte er sich nur je in diese verzogene Göre verlieben können! Sollte sie doch hinter den Mauern des Trifels verfaulen, er würde sicher jemand Besseres finden! Ein treues Weib, das die Nase nicht so hoch trug, eines, das jung und willig war, nur den Mund aufmachte, wenn es gefragt wurde, und eine Ehe mit einem gutbetuchten Kämmerer aus bürgerlichem Haus zu schätzen wusste.
Blind vor Hass war Martin von Heidelsheim zunächst den Spuren des Pferdes über die Felder gefolgt. So sollte sie ihm nicht davonkommen! Hätte er sie eingeholt, er hätte für nichts garantieren können. Aber er verlor schon bald ihre Spur und eilte allein durch den Wald, damit sein Zorn abkühlte.
Schließlich war ihm der Zufall zu Hilfe gekommen, er hatte Stimmen gehört und sich an die beiden herangepirscht.
Während er Agnes und Mathis von seinem Versteck aus belauschte,
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