Die Burg der Könige
zuckte mit den Schultern. »Nun, wenn Euer Vater sich weiterhin weigert, diesen jungen Rebellen auszuliefern, geht die Sache eben an den Herzog. Philipp von Erfenstein verstößt eindeutig gegen Recht und Gesetz! Dieser Mathis hat einem Aufrührer bei der Flucht geholfen und wird dafür die gerechte Strafe erhalten.«
»So wie Ihr auch andere Männer und, wie man hört, selbst Knaben ihrer gerechten Strafe zuführt?«, fragte Agnes kühl. Sie spürte, dass sie sich auf dünnes Eis begab, doch sie konnte nicht an sich halten. Mittlerweile waren einige der Bauern von den Feldern herbeigelaufen. Ängstlich beobachteten sie aus einigem Abstand das Geschehen.
Gessler zog eine Augenbraue hoch und musterte sie. »Wollt Ihr Weibsbild mir erzählen, wie ich zu regieren habe?«, fragte er scharf. »Dann sagt mir, wozu sind Gesetze da, wenn sie nicht eingehalten werden? Alles muss seine Ordnung haben, so wie Gott es eingerichtet hat. Sonst regiert das Chaos.«
»Gott kann nicht wollen, dass blutjunge Burschen gehenkt werden, nur weil sie Hunger haben! Gott ist barmherzig, er …«
»Schweig, Weib!« Bernwart Gesslers Kopf schwoll rot an, er hob die Reitpeitsche, als wollte er sie auf Agnes herunterfahren lassen. Doch dann besann er sich plötzlich, dass vor ihm kein Bauernmädchen, sondern die Tochter des Burgvogts stand.
»Ich hätte nicht übel Lust, Euch als Faustpfand nach Annweiler mitzunehmen«, zischte er. »Mal sehen, was Eurem Vater mehr wert ist. Ein gesuchter Rebell oder seine eigene Tochter.«
»Das halte ich für keinen guten Gedanken«, mischte sich nun Pater Tristan ein. »Oder ist der ehrwürdige Vogt wirklich auf eine Fehde aus, wo das doch seit Kaiser Maximilian verboten ist? Was würde der Herzog wohl dazu sagen, wenn dieses Gesetz nicht eingehalten wird?«
Gessler fuhr herum und starrte den Mönch an. Eine Weile sagte keiner etwas, die beiden Männer schienen sich in einem stummen Kampf zu messen. Schließlich blickte der Vogt zur Seite.
»Nun gut, nun gut«, murmelte Gessler. »Diesmal will ich es noch auf sich beruhen lassen. Wollen hoffen, dass der Burgvogt doch noch zur Vernunft kommt. Wir haben Wichtigeres zu tun.« Mit lauter Stimme wandte er sich nun an die umstehenden Bauern, die mittlerweile allesamt ins Dorf zurückgekehrt waren.
»Hört ihr mich, Bauernpack? Dieses Dorf hat seinen Zehnten, der dem Herzog zusteht, noch nicht bezahlt! Ich bin hier, um ihn endlich einzutreiben.«
Ein zahnloser Greis, vermutlich der Dorfälteste, verbeugte sich tief vor dem Vogt auf seinem tänzelnden Pferd. »Euer Gnaden«, stammelte er. »Wir haben erst letzte Woche mit einem Schreiben bei Euch um Aufschub gebeten. Ihr erinnert Euch sicherlich? Wir hofften sehr, dass …«
Der Vogt wischte die Worte wie lästige Fliegen beiseite. »Unsinn! Wenn ich Euch Aufschub gewähre, wollen das auch die übrigen Dörfer. Wo kommen wir da hin? Nein, der Zehnt muss bezahlt werden. Gleiche Rechte und Pflichten für alle.« Er wandte sich an seine Büttel. »Durchsucht die Scheunen und Ställe!«
Begleitet vom Jammern und Greinen der Bauern gingen die Wachen gemächlich von einem Haus zum nächsten. Sie plünderten die Verschläge, die Schuppen, Viehpferche, ja sogar die kleinen Gemüsegärten. Schließlich kamen sie mit drei Hühnern, zwei mageren Ziegen, einer Fuhre Steckrüben und vier Säcken Korn zurück.
»Na also«, sagte der Vogt befriedigt. »Da ist ja doch noch etwas. Hab ich mir’s doch gedacht. Nichts als Lügen, wie so oft.«
»Euer Gnaden, Euer Gnaden!« Der alte Bauer warf sich nun vor dem Pferd in den Dreck. »Bitte nicht das Getreide, das ist die letzte Saat! Wenn ihr uns die wegnehmt, haben wir nichts mehr zum Säen. Unsere Felder werden brachliegen, und wir müssen im Winter hungern!«
»Dann hättet ihr halt vorher besser gespart, dummes Pack!«, blaffte der Vogt. Diesmal ließ er die Peitsche niedersausen, und der Greis hielt wimmernd die Hände vors Gesicht.
»Nehmt ihnen das Korn, Exzellenz, und Ihr habt nächstes Jahr gar nichts mehr, was Ihr eintreiben könnt«, mischte sich erneut Pater Tristan ein. »Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.«
Erneut drehte sich Gessler zu dem Mönch um und sah ihn zornig an. Er ließ sein Pferd auf Pater Tristan zutraben und gab ihm so plötzlich die Sporen, dass es wiehernd aufstieg. Doch der alte Mann blieb stehen wie ein Fels.
»Wenn Ihr Euch schon nicht durch Menschlichkeit überzeugen lasst, dann vielleicht durch Vernunft«, sprach Pater
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