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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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schlüpfte unter die Decke. Sie dachte daran, den Ring abzunehmen, dann beschloss sie, ihn doch weiterhin an der Kette über dem Herzen zu tragen. Ohne ihn fühlte sie sich seltsam nackt.
    Erst als die ersten Sonnenstrahlen bereits ihr Gesicht kitzelten und in der Ferne ein Hahn krähte, fiel sie in einen kurzen, fieberhaften Schlaf.

KAPITEL 5
    Annweiler am Trifels,
    8. April, Anno Domini 1524
    ur ein paar Tage später kamen drei Männer auf hohen Rössern in aller Frühe nach Annweiler.
    Die wenigen Gerber, die schon um diese Zeit am Stadtbach ihre mit Blut und Fleischresten verklebten Tierhäute wuschen, schauten nur kurz auf, als die drei vorbeiritten, dann zogen sie schnell die Köpfe ein. Die Fremden waren seltsam gekleidet. Sie trugen die bunte Tracht der Landsknechte, doch die Stoffe sahen teuer aus, sie leuch­teten in Farben, die man hier in der Gegend noch nicht ge­sehen hatte. Es verhieß meist nichts Gutes, wenn fremdes Volk dem Ort einen Besuch abstattete. Oft waren es Gesandte des Herzogs, die Steuern eintrieben, oder Herolde, die mit lauter Stimme von neuen kurfürstlichen Erlassen berichteten – Erlasse, die weitere Abgaben forderten. Fünf Mal waren in den letzten zwölf Jahren die Steuern erhöht worden, ebenso oft waren neue Verbote hinzugekommen. Nicht nur die Jagd, auch der Fischfang, ja sogar der freie Holzschlag waren mittlerweile untersagt. Wie in einer Traubenpresse quetschten die Herrschenden die Bauern und einfachen Leute mehr und mehr aus, doch es war kaum noch Saft da – es kam nur noch Blut.
    Dass der vorderste der drei Männer auf seinem prächtigen Rappen ein hoher Herr war, erkannten die Gerber auf den ersten Blick. Er trug geschlitzte blutrote Hosen, sein Wams war aus schwarzem Samt, und auch der pelzbesetzte Mantel darüber schimmerte dunkel wie die Nacht. Das tief ins Gesicht gezogene Barett zierten nach Soldatenart einige bunte Federn. Von dem Fremden ging eine kaum fassbare Bedrohung aus, wie ein Grollen, das ein bevorstehendes Gewitter ankündigt.
    »Heda!«, rief er nun befehlsgewohnt einem der Gerber am Bach zu, einem ausgemergelten alten Mann. Seine Stimme hatte einen seltsamen ausländischen Klang. »Euren Vogt, wo find ich den?«
    »Er ist vermutlich drüben im Rathaus, mein Herr«, murmelte der Alte, ohne den Blick zu heben. »Reitet nur die Gasse weiter bis zum Marktplatz, dann steht Ihr davor.«
    Ohne ein Wort des Dankes trieb der gutgekleidete Fremde sein Pferd zur Eile an, und die anderen beiden Männer, derbe Gesellen mit struppigen Bärten und langem Haar, folgten ihm. Die Hufe der drei Pferde klatschten durch die kotverschmierte Gasse, ansonsten herrschte zu dieser frühen Stunde eine fast gespenstische Stille. Irgendwo krähte ein Hahn, ein paar Schweine quiekten, morgendlicher Nebel floss träge durch die Gassen.
    Am menschenleeren Marktplatz stieg der Anführer ab und band sein Pferd am Brunnen fest. In einer fremden Sprache gab er den beiden anderen einen kurzen Befehl. Sie nickten, dann ließen sie ihre Blicke gelangweilt über den Platz schweifen. Eine junge Magd hatte soeben die Fensterläden geöffnet, um Wäsche aufzuhängen. Als sie die Reiter sah, schlug sie erschrocken das Fenster zu.
    »Buh!«, machte einer der Männer. Sie lachten leise, während ihre schweißgebadeten Pferde das Wasser aus dem Brunnen soffen.
    Ihr Anführer betrat derweil das Annweiler Rathaus. Es war ein rot und weiß gestrichenes Fachwerkhaus, das in seiner Größe und Pracht an die Blütezeit der einstigen Reichsstadt erinnerte. Inmitten der anderen geduckten, windschiefen Gebäude, von denen die Farbe abblätterte, wirkte es merkwürdig fehl am Platz. Die Stiefel des Mannes hallten auf der mit Ochsenblut eingelassenen Rathaustreppe.
    Oben in der Schreibstube brütete Bernwart Gessler über Akten. Der Annweiler Stadtvogt war soeben dabei, die Listen mit den bereits erhobenen Abgaben zu vervollständigen. Alle Dörfer und Weiler hatten mittlerweile gezahlt. In einer Stunde fand eine Ratssitzung statt, in der der neugewählte Stadtrat über Maßnahmen gegen die wachsenden Umtriebe der sogenannten Lutheraner entscheiden sollte. Immer wieder tauchten in letzter Zeit Mönche und Wanderpriester auf, die gegen die päpstlichen Ablässe wetterten. Nach den jüngsten Vorkommnissen im Gasthaus »Zum Grünen Baum« hatte Gessler auf eine schnelle Neuwahl des Rats gedrängt. Gegner waren beseitigt, Jasager und Zauderer im Amt gelassen worden. Der Vogt war überzeugt, dass er die Stadt nun

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