Die Burg der Könige
geholfen hat?«, fragte die Bäuerin auf einmal. »Dieser Mathis. Wir haben gehört, dein Vater will ihn nicht der Obrigkeit übergeben. Vielleicht ist der Burgvogt ja doch kein so schlechter Mensch.«
Agnes sah sie erstaunt an. »Ihr wisst davon?«
Das Weib grinste, dann blickte sie sich vorsichtig um, als könnte sie in der ärmlichen Hütte jemand belauschen. »Natürlich«, flüsterte sie. »Der Teufelskerl hat sämtliche Annweiler Büttel an der Nase herumgeführt und den Stadtvogt noch dazu! Nur wegen diesem Mathis hat der Jockel in die Wälder fliehen können. Wir beten alle für ihn, für ihn und für den Jockel.«
Mittlerweile hatte Pater Tristan den geschwollenen Fuß des Buben von Schmutz und verkrustetem Blut befreit. »Ist der Sud fertig?«, fragte er Agnes beiläufig, so als hätte das gerade geführte Gespräch gar nicht stattgefunden.
Sie nickte und reichte ihm den Topf.
»Ich werde die Wunde jetzt mit dem Sud säubern«, sagte Pater Tristan. »Er muss vorher gekocht haben, das ist wichtig. Merk dir das.«
Er beugte sich hinunter zu dem Knaben, wusch die Wunde mit einem sauberen Lappen aus und rieb das Bein mit der mitgebrachten Salbe ein. Agnes goss derweil den übrigen Sud in einen irdenen Becher und flößte dem Jungen ein wenig von der heißen Flüssigkeit ein. Er stöhnte, ließ es aber willig über sich ergehen.
Pater Tristan zwinkerte ihr mit seinen kleinen faltenumrahmten Augen zu. »Du machst deine Sache gut, Agnes.«
»Vielleicht sollte ich das öfter machen«, erwiderte Agnes leise. »Wenn Ihr mich lasst, obwohl ich die Tochter eines hohen Herrn bin.«
Plötzlich ertönte draußen Lärm. Es war Hufgetrappel, das sich schnell näherte; Männer schrien Befehle, einige Kinder fingen an zu weinen. Die Bauersfrau beugte sich besorgt zur halboffenen Tür hinaus. Sofort prallte sie erschrocken zurück.
»Bei Gott, es ist der Annweiler Stadtvogt!«, flüsterte sie. »Was kann der nur schon wieder von uns wollen?«
Auch Agnes war jetzt zur Tür gegangen. Sie musste blinzeln, als sie aus der Dunkelheit der Hütte hinaus ins helle Mittagslicht schaute. Draußen standen drei Männer im speckigen Lederwams, bewaffnet mit langen Spießen und Armbrüsten. Sie lehnten an einem Karren, der von einem stämmigen Lastpferd gezogen wurde. Dahinter tänzelte nervös wiehernd ein hochgewachsener Schimmel, auf dem Bernwart Gessler saß. Herrisch blickte der Stadtvogt sich auf der Straße um, die mittlerweile gänzlich verlassen war. In seinen Händen wippte eine dünne Reitpeitsche.
»Verflucht, ist denn hier kein Mensch?«, schimpfte er lautstark. »Nicht ein einziger dummer Bauernschädel? Kommt gefälligst raus aus euren Löchern!«
Nach einer Weile wagte sich die Bäuerin hervor, wobei sie den Kopf demütig gesenkt hielt. »Alle sind draußen auf den Feldern, Herr«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Die Saat muss ausgebracht werden.«
Der Vogt sah missmutig zu ihr hinunter. »Gut so«, knurrte er. »Die Arbeit muss getan werden. Aber was machst du dann hier, Weib? Willst dich wohl drücken?«
»Mein … mein Sohn ist krank.« Sie hielt den Kopf nun so tief gesenkt, dass Agnes fürchtete, sie könnte vornüberfallen. »Ich kümmere mich um ihn.«
»Ha, Ausreden! Du bist nur zu faul, um …«
»Sie spricht die Wahrheit, Eure Exzellenz.« Pater Tristan hatte die Tür ganz aufgestoßen und stand nun mit Agnes in der Öffnung. »Ein Pferd hat den Knaben umgeritten. Das Pferd eines Reiters, der über die frisch gesäten Felder seiner Eltern galoppierte. Die Frau sagt, es sei wohl einer der Männer von Scharfenecks gewesen. Vermutlich eine Jagdgesellschaft.«
Dem Stadtvogt blieb vor Staunen der Mund offen stehen. Doch schnell hatte er sich wieder gefangen.
»Sieh mal einer an«, schnarrte er und deutete mit der Reitpeitsche auf den Mönch. »Der gute Pater Tristan, einmal mehr unterwegs, um den Armen zu helfen. Ich dachte, Ihr weilt noch im Kloster Eußerthal?«
Der Mönch verbeugte sich leicht. »Wie Ihr seht, brauchen die Menschen hier meine Hilfe.«
»Der Abt braucht sie umso mehr.« Bernwart Gessler wandte sich nun Agnes zu. »Und wenn das nicht die Tochter des Trifelser Burgvogts ist?«, sagte er leise, während sein Pferd noch immer auf der Stelle tänzelte. »Euer Vater bereitet mir gerade arge Schwierigkeiten.«
»Das macht allein mit meinem Vater aus«, erwiderte Agnes schroff. »Mich geht das nichts an.«
Gessler lächelte schmal. »Oho, so jung und schon so übermütig.« Er
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