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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Tristan leise weiter. »Wer nichts zum Säen hat, kann auch nicht ernten. Und der Herzog muss dann die kommenden Jahre auf seinen Zehnten verzichten.«
    Der Vogt biss sich auf die Lippen. Einen Moment lang schien es, als wollte er dem Mönch etwas entgegenschleudern, doch dann befahl er seinen Wachen mit barscher Stimme: »Zwei Säcke Korn lasst hier, meinetwegen auch die Hälfte der Steckrüben. Den Rest nehmt mit.«
    Der Mönch schlug ein Kreuz. »Möge der Herrgott Eure grenzenlose Gnade belohnen.«
    »Den Herrgott lasst aus dem Spiel, Pater. Der hat Wichtigeres zu tun, als um ein paar faulige Steckrüben zu feilschen.« Bernwart Gessler riss sein Pferd hart am Zügel und trabte davon, auf den Dorfrand zu. Doch dann wandte er sich noch einmal um und deutete mit der Reitpeitsche auf Agnes.
    »Und Ihr sagt Eurem Vater, dass er es sich gut überlegen soll, mit wem er sich anlegt!«, drohte er. »Ich habe mächtige Fürsprecher. Kaiser Maximilian mag Philipp von Erfenstein einst die Burg als Lehen gegeben haben, doch Maximilian ist seit langem tot. Mittlerweile gehört der Trifels dem Zweibrückener Herzog, und der kann die Burg jederzeit jemand anderem überlassen.« Er beugte sich tief über sein Pferd und musterte Agnes mit schmalen Augen. »Und ohne den Trifels ist Euer Vater nichts weiter als ein vagabundierender alter Ritter ohne Land und Vermögen! Und Ihr eine mittellose Dirne!«
    Gessler gab dem Schimmel die Sporen und preschte die Straße entlang. »Nun macht schon!«, rief er den Bütteln zu, die noch immer damit beschäftigt waren, die Säcke auf den Karren zu laden. »Wir haben noch drei weitere gottverdammte Weiler vor uns.«
    Nachdenklich sah Agnes der sich entfernenden Staubwolke hinterher. Trotz der frühlingshaften Sonne fröstelte sie.
    Es war, als hätte sich ein dunkler Schatten auf ihr Leben gelegt.
    ***
    In dieser Nacht träumte Agnes wieder.
    Der Tag war lang gewesen, am Nachmittag hatte sie der Köchin Hedwig noch beim Umgraben und Säen im Burggarten geholfen und dabei einiges über Heilkräuter gelernt. Die harte, aber ergiebige Arbeit hatte ihr gutgetan, und so war sie schließlich mit schmerzenden Gliedern schon bald nach Einbruch der Nacht ins Bett gefallen und gleich darauf eingeschlafen. Der Ring an der Kette schmiegte sich kühl an ihre Brust.
    Bestimmt ein halbes Dutzend Mal war der Traum vom alten Trifels über sie gekommen, doch diesmal war er anders, beinahe noch farbiger, noch lebendiger. Schweißgebadet warf Agnes sich im Bett hin und her, es war, als würde eine starke Hand sie in die feuchten Laken drücken. Wie berauschende Dämpfe stiegen die Bilder empor, nahmen immer deutlicher Gestalt an, bis Agnes sie schließlich ganz klar vor sich sah.
    Lauer Wind streift ihr Gesicht. Agnes öffnet die Augen und erkennt, dass sie auf den Zinnen des Trifels steht, ganz oben auf dem Palas. Es ist ein warmer Herbstnachmittag, die Bäume in der Umgebung tragen ein buntes Kleid, leicht wogen ihre Äste und Zweige. Agnes wendet den Kopf und erblickt drüben auf dem Nachbarhügel Burg Scharfenberg; weiß und rot getüncht erhebt sich die Festung prächtig über den Wäldern. Auf halber Strecke zwischen dem Trifels und Scharfenberg steht Burg Anebos, nicht ganz so groß wie ihre Geschwister, doch ebenso stattlich. Keine Ruine, so wie Agnes sie kennt, sondern ein fester Turm, erbaut auf einem Sandsteinfelsen und umgeben von Häusern, Katen und Mauern. Menschen auf Pferden sind zu sehen, sie halten bunte Fahnen und Standarten in die Höhe. Dahinter ragen wie Stacheln auf dem Rücken eines Drachen weitere Sandsteinfelsen mit Plattformen und Wachposten auf. Vom Trifels bis zur Burg Scharfenberg ist der ganze Sonnenberg eine einzige riesige Festung.
    Agnes’ Blick wandert nach unten zum Burghof des Trifels. Wo sie nur Schutthalden und öde Flächen kennt, erheben sich Ställe, Schuppen, ganze Gebäude … Das jetzt so verfallene Ritterhaus ist hübsch mit roten Ziegeln gedeckt, schwarzer Rauch kräuselt aus dem Kamin empor. Überall herrscht geschäftiges Treiben. Grüngewandete Jäger halten eine kläffende Hundemeute im Zaum, Waschweiber mit Kübeln eilen lachend hinunter zu den Zisternen am äußeren Burgring. ­Eine Gruppe Reiter galoppiert durch das offene Tor, an ­ih­ren Sätteln hängen Fasane und Rebhühner. Lärmende Knechte ­tragen einen toten Bären an einem Baumstamm in den Hof. Irgendwo bläst ein Horn, dann noch eines, ein drittes ant­wortet.
    Plötzlich spürt Agnes im Nacken

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