Die Burg der Könige
wieder halbwegs im Griff hatte – wären da nur nicht diese verdammten lutherischen Hetzprediger gewesen! Aber mit denen würde er auch noch fertig werden, ebenso wie mit den störrischen Bauern – und dem jungen frechen Schmiedgesellen, der sich oben auf dem Trifels verkrochen hatte. Auch er würde seiner gerechten Strafe nicht entgehen.
Als es plötzlich klopfte, blickte der Vogt nicht einmal auf.
»Herrgott noch mal, jetzt nicht!«, schnarrte er verärgert. Doch die Tür öffnete sich ohne Aufforderung.
Der Mann, der die Schreibstube betrat, sah gleichzeitig gefährlich und vornehm aus. Gessler schluckte deshalb den Fluch hinunter, der ihm bereits auf den Lippen gelegen hatte, und schaute sein Gegenüber abwartend an.
»Ja?«, fragte er vorsichtig.
Der Fremde zog sich einen Schemel heran, setzte sich und schlug die Beine übereinander. Noch immer hatte er das Barett tief ins Gesicht gezogen. »Ich bin in Eurer kleinen Stadt, weil ich etwas suche«, begann er in einem weichen, fremdartigen Akzent. »Vielleicht könnt Ihr mir dabei helfen.«
Der Vogt lächelte schmal. »Möglich. Am besten, Ihr kommt morgen wieder. Um die Mittagszeit. Da kann ich …«
»So viel Zeit habe ich nicht«, unterbrach ihn der Mann. »Ich komme von weit her.« Er schob sein Barett nach oben, und Gessler sah nun, dass das Gesicht des Fremden so schwarz wie die Nacht war. Weiße Augen leuchteten darin gleich kalten, funkelnden Diamanten. »Von sehr weit her«, wiederholte der Fremde.
Plötzlich griff er in seine weite geschlitzte Hose und zog einen Beutel klingender Münzen hervor. Mit einer schnellen Handbewegung schob er die Börse über den Tisch, so dass sie direkt vor dem Vogt zum Stehen kam. »Eine Anzahlung für die Erfüllung meines kleinen Wunsches. Und noch einmal so viel, wenn Eure Hilfe von Nutzen war.«
Erstaunt öffnete Bernwart Gessler den Beutel, er enthielt goldene Münzen in einer ausländischen Prägung. So viel Geld hatte Gessler nicht mit den gesamten Pachteinnahmen im letzten Jahr verdient! Das Herz schlug dem Stadtvogt bis zum Hals, trotzdem bewahrte er die Fassung.
»Und was wäre das für ein Wunsch?«, fragte er möglichst tonlos, während das Säckchen in einer Schublade des Schreibtischs verschwand.
Der Fremde sagte es ihm.
Bernwart Gessler hörte mit angespannter Miene zu. Die Bitte war etwas seltsam, doch das war der Mann ja auch. Für eine derartige Summe hätte er auch befehlen können, den Mühlbach zu vergiften oder alle Häuser blau zu streichen. Gessler dachte kurz nach, bevor er schließlich zögernd zu sprechen begann.
»Eigentlich würden Euch in einem solchen Fall die Kirchenbücher weiterhelfen. Tja, nur dummerweise sind sie bei einem Brand vor drei Jahren allesamt vernichtet worden. Wie schade …« Er machte eine kleine Pause und lächelte schmal, als er das Stirnrunzeln seines Gegenübers sah. »Da Euch die Angelegenheit aber offenbar äußerst wichtig ist, wüsste ich vielleicht noch jemand anderen, der Euch weiterhelfen könnte. Vielleicht gibt es dort Unterlagen oder zumindest etwas Ähnliches. Versprechen kann ich allerdings nichts.«
»Und wer wäre dieser Jemand?«, fragte der Fremde.
Gessler nannte ihm den Namen einer Frau und einen bestimmten Ort.
In einer schlangengleichen Bewegung erhob sich der Mann und deutete eine Verbeugung an. Erst jetzt bemerkte Gessler den Säbel, der in einem versilberten Schwertgehänge an der Hüfte des Mannes baumelte. Scheide, Faustkorb und Griff waren zerkratzt, tiefe Kerben befanden sich darin, rostrote Flecken verunstalteten die sonst tadellose Schmiedearbeit. Der Säbel sah aus, als wäre er schon oft gebraucht worden.
»Hat mich gefreut, mit Euch Geschäfte zu machen«, sagte der Fremde. Er sprach flüssig, wenn auch mit einem Akzent, den Gessler noch nie zuvor gehört hatte. »Sollte Euer Ratschlag zum gewünschten Ergebnis führen, komme ich wieder. Wenn nicht …« Er machte eine kleine Pause. »Nun, dann komme ich auch wieder. Ich muss nicht betonen, dass dieses Gespräch unter uns bleibt. Ein Wort zu irgendjemandem, und …« Er ließ seinen nicht vollendeten Satz im Raum verhallen.
»Wollt Ihr mir etwa drohen?«, erwiderte der Vogt kalt.
»Denkt an den zweiten Beutel. Er könnte schon bald Euch gehören.«
Der Fremde drehte sich grußlos um und verschwand durch die offene Tür. Noch eine Weile konnte Gessler die Stiefel auf der Treppe hören, dann herrschte Stille. Fröstelnd zog der Vogt seine warme Wollschaube über die
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