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Die Capitana - Roman

Die Capitana - Roman

Titel: Die Capitana - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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die Zunge rausgestreckt, so absurd wie eine Figur aus seinem Werk. Sie wollte das als Willkommensgruß verstehen, dabei war er schon gegangen, in andere Sphären. Und schauen Sie, was er mir hinterlassen hat, erzählt sie Roger Klein, der zu Besuch gekommen ist. Sie macht die Tür des kleinen Kühlschranks auf: er ist voller Whisky.
    »Möchten Sie, Roger?«
    »Warum nicht?«, sagt der. »Ich werde einfach kaum etwas reden, wenn ich zurück in mein Altersheim komme, damit mir keiner anmerkt, dass ich getrunken habe.«
    Unglaublich, das Leben, wer hätte gedacht, dass sie sich gegenseitig in ihren Altersheimen besuchen würden.
    »Mika, ich möchte gern etwas wissen. Ich habe bis jetzt gewartet, es Sie zu fragen.«
    »Bitte, Roger.«
    »Ist Ihnen bewusst, was für einen Fehler Sie mir gegenüber begangen haben?«
    »Und Sie, ist Ihnen bewusst, was für einen Fehler ich Ihnen nicht erlaubt habe, mir gegenüber zu begehen?«
    Mika lacht los, und er auch: vielleicht, Roger, vielleicht war ich verwirrt, ihre von Adern überzogene Hand legt sich auf die ihres Freundes, und er: vielleicht ist er es, der verwirrt war, seine hellen, alterslosen Augen, vielleicht hatte er sogar diese Absicht, die sie ihm über fünfzig Jahre später immer noch anhängte … Jetzt aber, jetzt will Roger ihr, Mika, unmissverständlich diesen Vorschlag machen. Und er tut es, förmlich und feierlich, mit klarer Stimme: Wollen wir zusammen schlafen, Mika? Allerdings weiß er nicht, schickt Roger leise hinterher, ob das im Altersheim in Montparnasse erlaubt ist, weiß sie darüber Bescheid, sie, die sich doch über alles so gut informiert?, in seinem wird das, soweit er weiß, nicht geduldet.
    Beide lachen schallend, als Paulette ins Zimmer kommt.
    »Worüber lacht ihr?«
    »Das ist ein Geheimnis.«

Dritter Teil

26. Kapitel
Madrid – Cerro de Ávila, Januar 1937
    Die Nachricht erschüttert sie zutiefst. Die Kompanie des POUM, die in Pineda de Húmera ihre Stellung übernommen hat, ist brutal dezimiert worden. Der Capitán, ein einundzwanzigjähriger junger Mann, tot. 92 tote Milizionäre und mehr als hundert Verwundete.
    Unerbittlich überfällt Mika dieses gestaltlose, nicht greifbare Gefühl der Schuld. Was an ihr haftet, ist das Glück, nicht in der Schlacht gestorben zu sein, anders als die anderen Pineda de Húmera, Moncloa, Sigüenza, sogar Atienza überlebt zu haben. Sie sind tot, das tut weh, und Mika lebt. Warum, weiß sie nicht, sie hat dafür keine Erklärung.
    Kürzlich hat Corneta ihr gegenüber angemerkt, die Milizionäre denken, sie muss irgendeinen Beschützer haben, einen Schutzengel, es ist doch allerhand, dass sie sogar die Bombe in Moncloa überlebt hat, vielleicht liegt es daran, mutmaßt ein anderer, dass sie vor dem Sterben keine Angst hat, ihr stößt nichts zu, weil sie sich nach dem Tod sehnt.
    »Red keinen Unsinn, das ist reiner Zufall, wie jeder andere auch bin ich irgendwann an der Reihe. Aber ich sehne mich doch nicht danach.«
    Mika will nicht sterben, aber vor allem will sie nicht, dass immer weiter so viele um sie herum sterben. Seit Monaten sieht sie Menschen fallen wie umgeschlagene Bäume. Sie kann gar nicht mehr anders, als überall den Tod zu sehen. Die vielen Toten unter ihren Genossen. Und die auf der anderen Seite. Denn sie konnte noch nie, so wie andere, über die Gefallenen des Feindes frohlocken, sie handelt nicht aus Hass, das wissen ihre Milizionäre, und jetzt, nach so vielen Schlachten, die sie gemeinsam gekämpft haben, erkennen sie das an, akzeptieren das als eine Eigenart von ihr, so wie ihr Klagen über die vielen verbrannten Bilder, Statuen, Kirchen, so versessen ist sie darauf, die Kultur zu bewahren.
    Das von Artillerie und faschistischen Flugzeugen in die Zange genommene Madrid riecht nach Tod. Kalt. Verletzt. Eine klaffende Wunde in der Hochebene. Mika möchte so schnell wie möglich zurück an die Front.
    Im Parteibüro des POUM ist ihr zu Ohren gekommen, dass man befürchtet, von einem Moment auf den anderen aufgelöst zu werden, immerhin sagt der Kommandant in ihrem Quartier in Madrid zu ihr, man wird die Milizionäre in eine Brigade eingliedern, wahrscheinlich in die 38., Sozialisten, zusammen mit anderen Kameraden.
    »Jeden in eine andere Kompanie?«
    »Nein, alle zusammen, und mit dir als Capitana. Es wird an der Front keine vereinzelten Kolonnen mehr geben.«
    Lieber sich zu einer gut bewaffneten Armee zusammenschließen, zwar kann eine einzelne Einheit mehr Ruhm erwerben, aber um

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