Die Capitana - Roman
besuchen. Und obwohl sie nur ironisch anmerkte, dass er im Tennisdress kam und sie kaum laufen konnte, rührte es sie doch, dass er gekommen war. Ja, er spielte Tennis, gestand er ihr, so lange, bis man es ihm verbieten würde, Mika habe keine Ahnung, wie es in Wahrheit um ihn stehe.
Er blickte sich zu allen Seiten um, als fürchtete er, jemand könnte ihm zuhören, dann trat er näher und betete ihr im Flüsterton eine lange Litanei aller möglicher Krankheiten herunter. Wahre wie erfundene. Was mussten sie lachen.
Ihnen beiden machte das Altwerden Angst, der Kontrast zwischen dem ständig Aufmerksamkeit fordernden Körper und dem Elan ihrer Ideen. Das unerbittliche Vergehen der Zeit. Was Mika in den Zeitungen las, was sie im Radio und oder bei Gesprächen mit Freunden oder irgendwelchen Fremden erfuhr, was sie auf der Straße beobachtete, bei Vernissagen und politischen Demonstrationen, alles regte sie an zum Nachdenken, aber die Zeit, die es brauchen würde, es aufzuschreiben, war Zeit, die ihr zum Leben fehlte. Roger ging es nicht anders.
»Ich möchte mich lieber mit Ihnen auf einem Spaziergang darüber unterhalten.«
Diese Straßen von Paris, unzählige Male gingen sie sie entlang, die Schritte immer langsamer, die Gedanken so rege wie immer. Schauen Sie, Mika, noch ein alter Mann, und auf der Bank dort, Roger, eine alte Frau. Wie seltsam, noch nie hatten sie auf der Straße so viele Alte gesehen, ob das daran liegt, dass es mit ihnen selbst auch bald so weit ist, gehören wir bereits zu diesem Trupp dazu? Vielleicht, Mika, vielleicht. Im Lachen fanden sie Leichtigkeit. Ab wann ist man alt, Mika? Gibt es einen Tag, eine Stunde?
»Wenn wir anfangen, die Gründe, die Gefühle hinter der Mürrischkeit der Alten verstehen zu wollen.«
Roger wurde mit Herzbeschwerden in ein Krankenhaus in der Umgebung von Paris eingeliefert, und Mika ging ihn besuchen. Zum Glück erholte er sich wieder, aber mit dem Tennis und sogar mit dem Motorroller, seinem bevorzugten Fortbewegungsmittel, war es vorbei: Mein einziger Sport sind nun Sie, Mika.
Das Alter, die Politik, die Malerei, die Geschichte, die Literatur, das Kino.
Auf jene Nacht in Madrid im Bürgerkrieg kamen sie nicht mehr zu sprechen, bis zu dem Tag, als Mika in das Altersheim in Montparnasse zog, vierzehn Jahre nach ihrer Wiederbegegnung.
Gemeinsam zu lachen schenkte ihr Leichtigkeit an einem der schwersten Tages ihres Lebens.
Mika hat sich mehrere Altersheime angesehen, hat mit Verwaltern und Direktoren gesprochen, Prospekte angefordert, hat Vor- und Nachteile abgewogen, mit dem Ergebnis, dass keines ihr gefällt. Sie weiß, dass das auf sie zukommt, alles ist in die Wege geleitet, die Verträge für ihre Wohnung in Saint-Sulpice sind unterschrieben, der zukünftige Eigentümer wird sie erst nach ihrem Tod bekommen, aber von jetzt an zahlen, das Haus in Périgny wird sie an die Besitzer des großen Nachbargrundstücks verkaufen, eines der Bilder ist sie bereits losgeworden, den Picabia, die anderen befinden sich in guten Händen, die Papiere sind in Ordnung gebracht, alles mehr oder weniger aufgeräumt, und um den Rest wird sich ihre herzensgute Freundin Paulette Neumans kümmern, aber wie schwer ist es, den Moment festzulegen, an dem man dem Bataillon der Gebrechlichen beitritt, die sich auf das Hinüberwechseln auf die andere Seite vorbereiten, wie sie kürzlich in beeindruckender Offenheit Roger Klein anvertraut hat. Wie haben Sie das gemacht?
Roger wohnt bereits im Altersheim, er geht immer noch spazieren, Freunde besuchen, von Zeit zu Zeit ins Kino, aber er will mit seinen Wehwehchen niemanden belästigen, er bezahlt, damit man ihn versorgt.
Vor einer Woche, sie kam gerade von einem Besichtigungstermin zurück, beschloss Mika, das zermürbende Herumsuchen zu beenden. Sie fuhr nach Périgny, holte einige Bücher, gab die Lilien und Mohnblumen, die Kirschbäume und Rosenstöcke in die Obhut von Monsieur Ringles, verabschiedete sich von den Katzen Tres Patas und Bolita, übergab die Papiere Guy Prévan, ihre Schreibmaschine Guillermo, ihre Ersparnisse ihrer Freundin Paulette, die für sie alle Rechnungen begleichen würde. Und nun sitzt sie im Altersheim in Montparnasse. In demselben behaglichen, noch mit denselben Vorhängen und Decken ausgestatteten Zimmer, das Samuel Beckett bewohnt hat.
Als Mika zum ersten Mal dort war, um sich zu erkundigen, mit der Leiterin der Einrichtung sprach, hatte Beckett sie erschreckt, ihr hinter der Dame zugezwinkert und
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