Die Champagnerkönigin
dieses Amerikaners haben. Für Isabelle könnte das jedenfalls die Rettung sein. Wenn ich an ihren gefüllten Weinkeller denke – ›Restbestände‹ würde ich das nicht gerade nennen, eher schon ein Meer an Champagner.« Sie lachte glücklich auf. »Wenn wir ihr das erzählen!«
»Versprich dir lieber nicht zu viel von Isas Reaktion.« Clara seufzte. »Wahrscheinlich wird sie wieder ihre alte Litanei anstimmen: ›Das ergibt doch alles keinen Sinn …‹«
Erneut blieb Josefine stehen. Ihre braunen Augen funkelten unternehmungslustig, als sie sagte: »Keine Sorge, ich habe eine ziemlich gute Idee, wie ich Isabelle aus ihrer Lethargie befreien kann.«
26. Kapitel
»Rad fahren soll ich? Bist du jetzt völlig verrückt geworden?« Entgeistert starrte Isabelle Josefine an.
Jo antwortete grinsend: »Glaubst du, ich habe mein Rad umsonst mitgebracht? Eure Straßen hier sind exzellent, kein Vergleich zu den holprigen Stolperpisten, über die wir uns in Berlin quälen müssen.«
Isabelle schüttelte den Kopf. »Ausgeschlossen. Nie und nimmer.« Wäre sie bloß nicht zum Frühstück nach unten gekommen, ärgerte sie sich. Dass die Freundinnen wieder eine neue Idee im Kopf haben würden, um sie »aufzumuntern«, hätte sie sich denken können.
»Jetzt sträub dich nicht so«, mischte sich nun auch noch Clara ein. »Du kannst dir doch nicht allen Ernstes entgehen lassen, wie ich das erste Mal seit Jahren auf dem Rad sitze und mich blamiere.«
» Du würdest mitfahren?« Isabelle konnte nicht umhin, die Freundin ungläubig anzuschauen. Clara hasste das Radfahren, nachdem sie sich bei ihren ersten Versuchen ein Bein gebrochen hatte. Zudem war ihr Mann Gerhard vehement dagegen, dass Frauen Rad fuhren, wenn er Clara jemals auf einem Fahrrad erwischte …
Doch Clara schaute sie mit festem Blick an und sagte: »Ja, das würde ich. Und deine Ghislaine fährt auch mit, sie leiht sich ein Rad von jemandem.«
»Sie bereitet außerdem ein Picknick für uns vor, ist das nicht nett von ihr?«
Isabelle spürte, wie ihr innerer Widerstand gegenüber so viel Beharrlichkeit zerbröselte. »Aber ich habe doch gar keine Kondition«, sagte sie kläglich. »Und schwanger bin ich auch.«
»Wir bestreiten ja auch kein Rennen. Bergab fahren geht immer«, sagte Josefine wegwerfend. »Auf der Herfahrt sind wir für eine Weile einem sehr malerischen Fluss gefolgt, diese Strecke könnten wir nehmen. Und wenn wir müde sind, lassen wir uns einfach von einem Kutscher zurückfahren.«
Eine Stunde später waren sie abfahrtbereit. Josefine und Isabelle schoben jeweils ihr eigenes Rad aus der Scheune vors Haus, Clara bekam von Isabelle schweren Herzens Leons altes Rad in die Hand gedrückt. In einer muffigen Kleiderkammer fand Isabelle außerdem ein paar Strohhüte, die sie als Schutz vor der späten Augustsonne an die Freundinnen verteilte. Während Josefine einen Hosenrock mit enganliegendem Jackett trug, waren Clara und Isabelle in karierte Blusen und schlichte Baumwollröcke gekleidet. Den Rocksaum nahmen sie seitlich mit Wäscheklammern zusammen, um die Gefahr, dass der Stoff in die Speichen geriet, zu vermindern. Als sie die Räder bestiegen, waren die Frauen in aufgekratzter Stimmung.
»Wehe, ihr rast wie verrückt den Berg hinab!«, rief Clara, noch bevor sie den ersten Meter gefahren waren. »Und nur ja nicht so schnell um die Kurven, ja?«
»Die junge Dame hat recht, in Ihrem Zustand dürfen Sie nichts riskieren«, sagte auch Micheline, die aus dem Haus getreten war und das Spektakel zusammen mit ihrer Schwägerin Marie kopfschüttelnd verfolgte.
Isabelle und Josefine tauschten einen Blick. Und plötzlich war sie wieder da, die alte Kameradschaft, die sie früher verbunden hatte. Hunderte, ach was, Tausende von Kilometern waren sie Seite an Seite gefahren, hatten sich gegenseitig immer wieder neu motiviert und so Müdigkeit, schwere Glieder, Hunger und Durst überwunden.
Mit zittrigen Knien stieg Isabelle aufs Rad. Der Lenker in den Händen, die Füße auf den Pedalen – alles fühlte sich so vertraut und gleichzeitig fremd an.
Im nächsten Moment kam Ghislaine angeradelt, im Schlepptau ein junges Mädchen. »Das ist Sophie, die Tochter des Bäckers«, stellte Ghislaine die Radlerin vor. »Das Velo war ein Geschenk ihrer Eltern zu ihrem Geburtstag im Mai, aber bisher hat sich Sophie nicht getraut, es zu fahren.«
Mit hochroten Wangen stand das junge Mädchen daneben.
»Da haben wir ja die perfekte Truppe beisammen«, raunte
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