Die Champagnerkönigin
berichteten, die ihnen in Ghislaines Restaurant unter die Augen gekommen war. Eine Gruppe amerikanischer Geschäftsleute hatte angekündigt, nächste Woche nach Troyes zu kommen. Ziel ihrer Reise war es, Champagner für eine Flotte von Kreuzfahrtschiffen einzukaufen, die auf dem Mississippi unterwegs war – angesichts der nahenden Jahrhundertwende gingen die Amerikaner davon aus, dass der Appetit ihrer Landsleute auf das französische Edelgetränk noch weiter steigen würde. Statt nun selbst einen Winzer nach dem anderen aufzusuchen oder die Handelsvertreter der Champagnerhäuser zu sich nach New Orleans einzuladen, hielten die Amerikaner im Hotel l’Esplanade in Troyes Hof. Jeder Winzer, der Interesse an einem Geschäft mit den Amerikanern hatte, sollte ein paar Probeflaschen seines Champagners mitbringen und außerdem eine Liste bereithalten, auf der seine Bestände aufgeführt waren. Laut der Annonce hörte es sich so an, als wollten die Amerikaner den Champagner gleich mit nach Hause nehmen, statt ihn sich nachschicken zu lassen.
Natürlich ahnte Isabelle, worauf alles hinauslaufen würde. Um Zeit zu schinden, sagte sie: »Warum Troyes? Ich war zwar noch nie dort, aber von Leon weiß ich, dass diese Stadt ungefähr hundertzwanzig Kilometer südlich von Épernay liegt. Wenn diese Leute Champagner einkaufen wollen, könnten sie es sich auch einfacher machen und nach Reims reisen!«
»Micheline meinte, in Troyes hätten in früheren Zeiten große Champagnerauktionen stattgefunden – vielleicht ist das der Grund dafür, dass die Amerikaner die Stadt als Reiseziel gewählt haben. Aber eigentlich ist der Ort doch völlig unbedeutend«, bemerkte Josefine ungeduldig.
»Verstehst du nicht?«, sagte Clara drängend zu Isabelle. »Das könnte die Chance für dich sein, deine alten Champagnerbestände mit einem Schlag loszuwerden. Du hast uns doch selbst erzählt, dass deine süßen Weine in Europa keine Abnehmer finden. Dass aber die Amerikaner solche süßen Weine bevorzugen würden – somit hast du genau das im Angebot, was sich die Herren wünschen!«
Isabelle schaute auf das träge dahinfließende Wasser der Marne, während sie krampfhaft über eine Antwort nachdachte. »In der Champagne gibt es Hunderte von Winzern, wieso sollte da ausgerechnet ich bei den Amerikanern eine Chance haben?«
»Weil dein Champagner den amerikanischen Gaumen mundet! Außerdem – wir würden dich begleiten«, sagte Josefine. »Du hast so viele hübsche Kleider im Schrank. Wenn wir uns ordentlich herrichten, drei reizende junge Frauen … Es wäre doch gelacht, wenn wir die Amerikaner nicht mit unserem Charme bezirzen könnten.«
»Ihr stellt euch das viel zu einfach vor. Champagner zu verkaufen – dafür braucht es einen Experten!«, rief Isabelle kläglich auf. »Leon ist von Pontius zu Pilatus geradelt und so gut wie nichts losgeworden, und dann sollen ausgerechnet wir drei Frauen mehr Glück haben? Was wissen wir denn vom Champagnerverkauf? Und ganz gleich, wie laut die Männer in Ghislaines Restaurant getönt haben – ein gutes Geschäft lässt sich niemand durch die Lappen gehen. Mit Sicherheit geben sich dort Dutzende von Winzern ein Stelldichein, die Konkurrenz wird riesig sein.« Sie schüttelte den Kopf. »Diese Fahrt ist doch schon jetzt zum Scheitern verurteilt.«
Einen Moment lang herrschte betretenes Schweigen. Isabelle spürte, wie ihre Angst nachließ. Allem Anschein nach gelang es ihr, die Freundinnen davon zu überzeugen, dass sie ihre Idee nicht umsetzen konnte. Zuversichtlich schob sie nach: »Früher vielleicht, als ich noch nicht wusste, wie böse einem das Leben mitspielen kann, hätte ich mich auf solch eine Verrücktheit eingelassen. Ich hätte das Ganze als Abenteuer gesehen, bei dem es nur etwas zu gewinnen, aber nichts zu verlieren gibt. Heute weiß ich es besser.«
»Aber –«, hob Josefine verzweifelt an.
»Gar nichts weißt du besser!«, stieß Clara scharf hervor. »Ein Feigling bist du, so sieht’s aus. Du hast schlicht kein Interesse daran, wieder ins Leben zurückzufinden, wo es doch so viel einfacher ist, sich in Selbstmitleid zu ertränken!« Noch während sie sprach, stand sie auf und packte Isabelle grob am Arm. »Wenn du keine Lust mehr hast zu leben, dann geh doch gleich ins Wasser. Vielleicht befinden sich Schlingpflanzen in der Tiefe, die dich hinabziehen, dann ist’s aus und vorbei mit dir. Dann bist du bei deinem Leon, und es kann sich jemand um das Weingut Feininger
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