Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
gefragt.
    Josefine und Clara hatten dem Wortwechsel schweigend bei­gewohnt. »Täusche ich mich, oder hat der Kerl vorhin nach Alkohol gerochen? Sehr vertrauenerweckend kommt er mir jedenfalls nicht vor«, hatte Josefine später gesagt. »An deiner Stelle würde ich mich lieber heute als morgen nach einem guten Kellermeister umsehen.«
    Isabelle hatte nur seufzend genickt. Sie war froh, die bevorstehende Ernte nicht ganz allein bewältigen zu müssen. Danach … würde man weitersehen.
    »Gnädiger Gott, verschone unsere Reben vor Regen und Hagel, verschone unsere Reben vor der Reblaus und anderem Unbill …«
    Das war ja wohl das mindeste, was Gott tun konnte, befand Isabelle, dann ließ sie ihren Blick weiterschweifen. Eine Reihe vor ihnen saß Therese Jolivet von der Bäckerei, Carla Chapron und ihr Mann Ignaz saßen daneben. Ghislaine und ihr Bruder Daniel waren ebenfalls da, neben Daniel saß Blanche Thevenin, die Schneiderin. Isabelle runzelte die Stirn. Täuschte sie sich, oder war Blanche unnötig nahe an Daniels Seite gerutscht?
    »Gnädiger Gott, wir bitten dich, halte deine Hand beschützend über unsere Rebstöcke. Gib uns die Kraft, die kommenden schweren Wochen gut zu überstehen …«
    Die Familie Trubert saß – wie konnte es auch anders sein – in der vordersten Reihe rechts des Ganges. Die erste Kirchenbank links war den Familien Moët und Chandon vorbehalten, den größten Champagnerfabrikanten von allen. Deren unglaubliche dreihundertvierzig Hektar Landeigentum verteilten sich zwar über Hautvillers hinweg über die ganze Champagne mit Weinbergen in Ay, Verzenay, Le Mesnil-sur-Oger, Bouzy und anderen Orten, doch den Erntebittgottesdienst besuchten die Inhaber traditionell in Hautvillers.
    »Gnädiger Gott, befreie uns von unseren Sorgen, schenke uns deine Barmherzigkeit, damit wir mit deinem Segen das diesjährige Weinjahr zu einem guten Abschluss bringen können. Fülle unsere Keltern mit Trauben, fülle unsere Fässer mit Wein – darum bitten wir dich, o Gott, dafür sei uns gnädig. Amen!«
    »Amen!«, ertönte es aus unzähligen Kehlen.
    Der Pfarrer machte mit seiner rechten Hand das Zeichen des Kreuzes.
    » Gehet hin und lobpreiset unseren Herrn an einer reichgedeckten Tafel!«, verabschiedete er seine Schäflein. Begleitet vom Klang der Glocken, erhob sich Stimmengemurmel, als die Menschen langsam die Kirchenbänke verließen.
    »Amen«, sagte auch Isabelle. Doch statt wie alle anderen aufzustehen, blieb sie sitzen. Zum ersten Mal an diesem Tag richtete sie ihren Blick auf das große Kreuz aus weißglänzendem Holz, an das ein elend dreinschauender Jesu genagelt war.
    »Deinen Sohn hast du geopfert, meinen Mann ebenfalls, der Opfer sind damit wirklich genug gebracht. Jetzt hilf mir bitte, die Ernte gut zu überstehen. Allein schaffe ich das nämlich nicht. Amen«, murmelte sie leise, dann bekreuzigte sie sich ein letztes Mal.
    Claude Bertrand, der noch im Gang stand, schaute sie erstaunt von der Seite an. »Haben Sie etwas gesagt, Madame?«
    Isabelle verneinte lächelnd, dann stand sie ebenfalls auf. »Es ist seltsam, Gottesdienste machen mich immer hungrig, aber damit bin ich wohl nicht die Einzige.« Sie wies auf die Gottesdienstbesucher, die dem Ausgang zustrebten.
    Micheline, die vor ihr ging, lachte. »Und das ist auch gut so, denn die Tische werden sich auch dieses Jahr wieder unter den feinen Speisen nur so biegen. Die Ernte verlangt uns allen in den nächsten Wochen das Äußerste ab, da schadet es nicht, sich zuvor noch einmal richtig zu stärken, nicht wahr, Marie?«, wandte sie sich an ihre Schwägerin.
    Marie Guenin nickte. »In Hautvillers wird dieses gemeinsame Mahl vor der Ernte sehr ernst genommen, jeder Haushalt steuert etwas bei. Und wir Winzer spendieren den Champagner dazu. Wer weiß, wie unsere Ernte ausfällt und ob wir danach noch einen Grund zum Feiern haben. Da ist es besser, heute nochmals fröhlich die Gläser zu erheben!«
    Schon am Vorabend hatten die Bewohner der umliegenden Häuser ihre Haustüren auf den Dorfplatz geschleppt und mittels hölzerner Böcke in Tische verwandelt. Vor dem Gottesdienst hatten dann die Hausfrauen blütenweiße Tischtücher darübergeworfen und diese mit geflochtenen Girlanden geschmückt. So war eine lange Tafel entstanden, an der nun immer mehr Leute Platz nahmen. Man grüßte sich, wechselte hier ein paar Worte, plauderte da ein wenig, lobte die Septembersonne, die alles in goldenes Licht tauchte. Abseits der Tafel spielten

Weitere Kostenlose Bücher