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Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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einem Mund.
    Clara schien die fragenden Blicke der anderen sichtlich zu genießen. »Diese Idee ist so naheliegend, und doch ist noch keine von euch darauf gekommen. Aber denk doch mal nach – dein Landhaus ist so wunderschön, Isabelle, das würde bei vielen Reisenden bestimmt großen Anklang finden. Auf der Zugfahrt hierher lernten wir beispielsweise eine Schauspielerin kennen, die für längere Zeit am Bodensee war, um neue Kräfte für ihre Arbeit zu sammeln. An solche Menschen könntest du Zimmer vermieten. Du könntest deine Gäste mit der köstlichen Küche der Champagne verwöhnen, du könntest ihnen herrliche Bäder in deinem Badezimmer einlassen, du könntest sie zu Spaziergängen durch die Weinberge mitnehmen, Weinproben mit ihnen veranstalten …« Claras Miene hatte verträumte Züge angenommen, es war ihr anzusehen, dass sie großen Gefallen an ihrer Vision fand.
    »Ein Ort der Ruhe, Entspannung und Erholung«, murmelte nun auch Josefine vor sich hin, dann schaute sie auf. »Damit ließe sich bestimmt gut Geld verdienen. Clara und ich könnten in Berlin Werbung für dich machen.«
    »Bloß nicht«, sagte Isabelle erschrocken. »Deine Idee in allen Ehren, Clara, aber solch ein Gästehaus müsste man mit Leidenschaft führen, und die verspüre ich bei diesem Gedanken einfach nicht. Dazu schätze ich meine Privatsphäre viel zu sehr.« Sie seufzte bedauernd, als sie die Enttäuschung in den Augen der Freundin sah.
    »Vielleicht wäre solch ein Landhotel etwas für dich, Clara, aber für Isabelle ist das wahrscheinlich wirklich nichts«, bestätigte ­Josefine. Sie wandte sich Isabelle zu. »Vorhin hast du so leidenschaftlich und inständig von der Champagnerherstellung gesprochen, dass ich eine Gänsehaut bekam. Wenn es wirklich dein großer Traum ist, einen richtig guten Champagner zu machen, dann tu’s!«
    So einfach ist das nicht, wollte Isabelle erwidern, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken. Auf einmal hatte sie ihr Zögern, ihre Ängstlichkeit und ihr Hadern so satt! Sie wollte wieder sein wie früher – frech, forsch, ohne Furcht vor irgendetwas. Sie wollte sein wie Josefine, die von Leidenschaft sprach und davon, dass man Träume in die Tat umsetzen sollte. Und sie wollte sein wie Clara, die im entscheidenden Moment vom leisen Mäuschen zur Löwin geworden war, um ihr, Isabelle, die Meinung zu sagen. Ihre wundervollen Freundinnen.
    Sie spürte, wie Tränen in ihr aufstiegen. Heftig schluckte sie sie fort.
    »Ich und Champagner herstellen – das wäre wirklich das bisher größte Abenteuer in meinem Leben«, sagte sie mit belegter Stimme.
    »Ich habe eine Idee!«, rief Clara plötzlich erneut.
    Sowohl Isabelle als auch Josefine schauten die Apothekertochter erwartungsvoll an.
    Clara holte tief Luft. »Wenn es Isabelle wirklich gelingt, ihren Jahrhundertchampagner herzustellen, dann müssen wir unbedingt versuchen, uns zur Jahrhundertwende im nächsten Jahr wiederzusehen.«
    Isabelle stutzte für einen Moment, dann lachte sie auf und sagte: »Einverstanden! Aber nur, wenn ich euch dann auf eine Flasche des besten Feiningers aller Zeiten einladen darf.«
    Wie früher fassten sie sich an den Händen. Isabelle wartete darauf, dass sie ihren alten Schwur »Auf den Jahrhundertwind!« erneuerten, doch sowohl Josefine als auch Clara schienen zu zögern.
    »Bevor wir irgendwelche Versprechen abgeben, sollten wir vielleicht noch über etwas anderes reden«, sagte Clara gedehnt. »Etwas, was noch gar nicht ausführlich zur Sprache gekommen ist.« Sie schaute Isabelle eindringlich an. »Du wirst Mutter, Isabelle. Und es ist höchste Zeit, dass du dich auch mit diesem Gedanken auseinandersetzt. Beides zusammen, ein Jahrhundertchampagner und ein Jahrhundertkind – ist das etwa nichts?«
    Am nächsten Morgen war Isabelle schon mit Anbruch der Dämmerung wach. Nach einer Katzenwäsche schlich sie sich leise aus dem Haus. Die anderen sollten ruhig noch ein wenig schlafen – das, was sie vorhatte, musste sie allein tun.
    Der Friedhof von Hautvillers war von einer baufälligen Mauer umschlossen und lag im Schatten einiger riesiger Trauerweiden. Leons Grab befand sich in der letzten Reihe. Es war das erste Mal seit der Beerdigung, dass sie es besuchte. Wahrscheinlich hielten die Dorfbewohner sie deswegen alle für herzlos. Sie konnte selbst nicht genau in Worte fassen, was ihr eine solche Angst bereitet hatte, dass sie vor diesem Gang bis heute zurückgeschreckt war. Die Angst vor der endgültigen

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