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Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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den letzten Jahren?« Noch während sie sprach, wandten sich alle am Tisch Sitzenden zu Daniel um.
    »Ich befürchte eher Letzteres«, sagte er. Er hob bedauernd seine Hände. »Die Trauben sind zwar nicht schlecht geraten, aber durch den verregneten Juni und den auch nicht gerade sonnenreichen Juli fehlt es ihnen einfach an Süße. Ich schätze, dass wir mit dem zu erwartenden Zuckergehalt höchstens auf zehn Prozent Alkohol kommen werden.«
    Warum hielten alle geradezu den Atem an bei jedem Wort, das Daniel sprach?, fragte sich Isabelle. Und was erzählte er von einem verregneten Juni? Von Trauben, die nicht ideal geraten waren? Davon hatte sie nichts mitbekommen, musste sie sich eingestehen. Davon und von so vielem anderen auch nicht, dachte sie, als ihr Blick auf Ghislaines Bauch fiel. Ob die Freundin erneut von Henriettes Mann schwanger war? Der Bissen Fleisch, den sie gerade im Mund hatte, wurde immer trockener, nur mit Mühe schluckte sie ihn hinunter.
    »Es ist mir eine große Freude, Sie hier wiederzusehen, Madame Feininger«, sagte Raymond Dupont jetzt und riss sie damit aus ihren Gedanken.
    »Die Freude ist meinerseits, allerdings muss ich mich erst wieder daran gewöhnen, unter so vielen Menschen zu sein«, erwiderte sie und wies auf die vielen Feiernden. »In den letzten Monaten habe ich wie eine Einsiedlerin gelebt.«
    »Besuchen Sie mich doch wieder einmal in Reims! Wir könnten zusammen essen gehen oder in die Oper oder –«
    »In Hautvillers hat nach dem heutigen Tag niemand mehr Zeit für derlei Vergnügungen«, unterbrach Daniel Lambert den Weinhändler ungewohnt barsch. »Wir haben die Ernte zu bewältigen, nicht wahr, Isabelle?«
    Täuschte sie sich, oder betonte er ihren Vornamen ganz bewusst? Und klang nicht ein bisschen Ärger in seiner Stimme mit, als er Dupont maßregelte? Verwirrt schaute Isabelle von einem Mann zum anderen.
    »Ach, wenn ich an den 1874 er Jahrgang denke – das war ein Tröpfchen, erinnert ihr euch? Der erste trockene Champagner, fein moussierend, ohne zu sprudeln, mit Finesse, aber ohne zuckrige Süße. Louise Pommery hatte so spät wie noch nie geerntet, wir anderen Winzer haben fassungslos danebengestanden und gerätselt, ob wir es ihr gleichtun sollen oder nicht.« Marie Guenins graue Augen blitzten bei der Erinnerung.
    Micheline nickte. »Die meisten haben aus lauter Angst vor einem Wetterumschwung dann doch früher geerntet, aber wir Guenins haben das Experiment gewagt und die Trauben wie Louise zwei weitere Wochen am Stock stehen lassen. Ob wir das dieses Jahr auch wagen sollten?«, fragte sie gedehnt und schaute Daniel erwartungsvoll an.
    Wieder starrten alle auf Daniel. Doch er lächelte nur.
    Seltsam, warum horchte Micheline Daniel derart aus? Und war­um antwortete er nicht einfach auf ihre Fragen? Manchmal taten die Champenois wirklich sehr geheimnisvoll, dachte Isabelle, dann nahm sie sich einen Pfirsich von einer der Obstplatten. Er roch nach Sonne, weißen Blüten und einem Hauch Parfüm.
    »Die gute Louise, Gott hab sie selig«, fügte Marie hinzu, und Micheline seufzte. »Ohne sie und ihren Mut, etwas Neues zu probieren, würden wir alle vielleicht heute noch zuckersüßen Champagner herstellen statt unsere wundervollen Bruts .«
    »Was ist denn an einem süßen Champagner verkehrt, Madame?«, fragte Gustave Grosse, der neben Claude Bertrand saß, kauend.
    Missfällig beobachtete Isabelle, wie ihr Kellermeister sein Glas zum wiederholten Male mit Champagner füllte. Daran hatte sich also auch nichts geändert.
    »Verkehrt ist an süßem Champagner beispielsweise, dass er wie Blei in meinen Kellerregalen gelegen hatte – und noch liegen würde, hätte mir nicht ein Fingerzeig des Himmels den Weg zu den Amerikanern in Troyes gewiesen«, sagte sie gereizt.
    Alle am Tisch bis auf Gustave Grosse lachten.
    An Daniel gewandt, sagte Isabelle leise: »Ich weiß zwar nicht, was du den Amerikanern ins Ohr geflüstert hast, dass sie mir so aus der Hand fraßen. Aber es hat geholfen. Vielen Dank dafür!«
    Daniel winkte nur ab.
    »Einen Fingerzeig des Himmels könnten wir auch gut gebrauchen«, sagte Micheline und schaute ihn dabei erneut auffordernd an.
    »Habe ich etwas nicht mitbekommen?«, sagte Isabelle lachend. »Bist du etwa eine Art Orakel für eine gute oder schlechte Ernte?«
    Daniel grinste und öffnete den Mund zu einer Erwiderung. Doch im nächsten Moment brach er ab.
    Isabelle folgte seinem Blick und sah Henriette Trubert, gekleidet in eine Wolke aus

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