Die Chaos Queen
umzuziehen. Hektisch schloss ich die Wohnungstür auf, stürmte hinein und trat fast auf ein kleines Geschenk. Dasselbe Geschenkpapier, das Spiro für die Uhr benutzt hatte. Dasselbe Band.
Eine geschlagene Minute starrte ich das Päckchen an und vergaß dabei zu atmen. Ich hatte keine Waffe. Ich hatte kein Pfefferspray. Ich hatte keinen Elektroschocker. Mein sämtliches Spielzeug war bei Tucki-Chicken in Rauch aufgegangen.
»Ist da jemand?«, rief ich.
Niemand antwortete. Ich wusste, dass ich Ranger anbimmeln sollte, damit er die Wohnung durchsuchte. Aber das kam mir so läppisch vor. Deshalb ging ich rückwärts aus meiner Wohnung, schloss die Tür wieder zu und rief Lula an.
Zehn Minuten später stand sie neben mir.
»Okay, mach auf!«, sagte sie, ihre Waffe in der Hand, den Taser auf der Hüfte, das Pfefferspray in der Tasche, die dicke Taschenlampe in den Bund ihrer strassverzierten Stretchjeans geschoben. Eine kugelsichere Weste spannte sich über ihre basketballgroßen Brüste.
Ich schloss die Tür auf, wir spähten hinein.
»Einer von uns sollte nachgucken, ob böse Männer drin sind«, sagte Lula.
»Du hast eine Pistole.«
»Ja, aber es ist deine Wohnung. Ich könnte nachgucken, aber ich will mich nicht vordrängeln. Ich bin kein Schisshase oder so, ich will mich nur nicht so wichtig machen.«
Ich verdrehte die Augen.
»Verdreh nicht so die Augen!«, mahnte Lula. »Ich nehme Rücksicht. Ich gebe dir die Möglichkeit, dich als Erste erschießen zu lassen.«
»Oh, danke. Bekomme ich wenigstens eine Pistole?«
»Aber hallo. Die ist geladen und alles.«
Zu 99 Prozent war ich mir sicher, dass die Wohnung leer war. Aber warum sollte ich dieses einprozentige Risiko eingehen? Mit Lula drei Schritte hinter mir robbte ich durch alle Räume. Wir sahen in den Schränken nach, unter dem Bett, hinter dem Duschvorhang. Kein gruseliger Spiro. Wir kehrten zurück zur Eingangstür und schauten auf das Päckchen hinab.
»Ich denke, du musst es aufmachen«, sagte Lula.
»Glaubst du, es ist eine Bombe?«
»Dann musst du es weit von mir entfernt aufmachen.«
Ich warf ihr einen bösen Blick zu.
»Also, wenn das eine Bombe ist, dann ist sie klitzeklein«, meinte Lula. »Vielleicht ist es ja gar keine. Vielleicht ist es ein Diamantarmband.«
»Ach, weil Spiro mir ein Diamantarmband schickt?«
»Ist etwas weit hergeholt«, gab Lula zu.
Ich seufzte und hob das Päckchen vorsichtig an. Es war nicht schwer. Es tickte nicht. Ich schüttelte es. Es klapperte nicht. Langsam packte ich es aus. Ich hob den Deckel an und spähte hinein.
Lula sah mir über die Schulter. »Was ist das denn?«, fragte sie. »Da wachsen ja Haare drauf! Ach, du heilige Scheiße! Ist es das, was ich denke?«
Es war Mama Macaronis Leberfleck. Ich ließ das Kästchen fallen, lief ins Bad und übergab mich. Als ich wieder zurückkam, saß Lula auf der Couch und zappte durch die Fernsehprogramme.
»Ich hab den Leberfleck aufgegabelt und zurück ins Kästchen getan«, erklärte sie. »Dann hab ich alles in eine Plastiktüte gesteckt. Riecht nicht besonders toll. Steht auf der Küchentheke.«
»Ich muss mich umziehen. Ich hab einen Job bei Ranger angenommen und muss schwarze Sachen tragen.«
»Auch schwarze Unterwäsche? Was gehört sonst noch dazu? Oralsex? Strippen?«
»Nein. Telefonische Ermittlung.«
Lula knipste den Fernseher aus und stand auf. »Ich wette, dass es irgendwann zum einen oder anderen kommt. Erzählst du mir aber, oder?«
»Du bist die Erste, die es erfährt.«
Ich verriegelte die Tür hinter Lula und zog schwarze Jeans, schwarze Pumas und ein enges schwarzes T-Shirt mit V-Ausschnitt an. Dann nahm ich Mama Macaronis Leberfleck, warf meine Jeansjacke über und sah aus dem Fenster nach Morellis Wagen. Niemand schlich herum und montierte Bomben. Super. Ich griff nach Rex’ Käfig, verließ die Wohnung und schloss hinter mir ab. Als ob das viel geholfen hätte! In meine Wohnung brach Hinz und Kunz ein.
Ich fuhr mit dem Leberfleck zu Morelli, überreichte ihn und brachte Rex in die Küche.
»Das ist ja widerlich«, sagte Morelli, als er das Kästchen öffnete und den Fleck musterte. »Das ist ja krank.«
»Ja. Ruf besser Grandma an, damit sie rüberkommt und sich das Ding anguckt, bevor du es abgibst. Sie würde dir niemals verzeihen, wenn du ihr den Leberfleck nicht zeigen würdest.«
Morelli sah zu den Schmerzmitteln auf dem Couchtisch hinüber. »Ich brauche mehr Medikamente«, sagte er. »Wenn ich deine Großmutter
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