Die Chaos Queen
»Ich erwarte von dir, dass du sie trägst. Und ich erwarte, dass sie geladen ist. Im Keller haben wir einen Schießstand. Einmal pro Woche wird unten trainiert.«
Ich salutierte. »Aye, aye, Sir!«
»Halt dich vor den Männern zurück mit deinen Sprüchen«, sagte Ranger. »Die dürfen das nämlich nicht.«
»Ich schon?«
»Ich mache mir keine Illusionen, dass ich dir irgendetwas vorschreiben könnte. Aber versuch einfach, die Frotzeleien auf die Zeit zu beschränken, wenn wir unter uns sind, damit meine Autorität bei den Männern nicht untergraben wird.«
»Gehst du davon aus, dass wir öfter unter uns sind?«
»Wäre nett.« Das halbe Lächeln wurde zu einem offenen Grinsen. »Flirtest du mit mir?«
»Ich glaube nicht. Kam es dir so vor?« Natürlich flirtete ich mit ihm. Ich war schrecklich. Zu Hause saß Morelli mit gebrochenem Bein und mutiertem Leberfleck, und ich schäkerte mit Ranger. Gott, war ich verkommen!
»Erzähl mir den Rest von der letzten Katastrophe!«
»Also, Lula und ich durchsuchten meine Wohnung, aber es war kein Spiro zu finden. Dann nahmen wir uns das Geschenkpäckchen vor. Ich machte es auf.«
»Hattest du keine Angst, dass es eine Bombe sein könnte?«
»Dafür war es ziemlich klein.«
Ranger sah aus, als reiße er sich immens zusammen. »Was passierte, als du es aufmachtest?«
»Ich musste mich übergeben.«
»Babe«, sagte Ranger.
»Jedenfalls hat jetzt Morelli den Leberfleck. Ich dachte, er wüsste schon, was damit zu tun ist.«
»Gut gedacht. Willst du mir sonst noch was mitteilen?«
»Vielleicht später.«
»Du flirtest schon wieder«, sagte Ranger.
Und ging.
Ich sah, wie er beim Gehen mit Tank sprach. Tank nickte und sah zu mir herüber.
Die Wände meiner kleinen Arbeitsecke waren mit Kork verkleidet. Gut zur Schallisolierung und zum Anpinnen von Notizen. Ich sah Löcher, wo Silvio Nachrichten oder Ähnliches befestigt hatte, aber alle Zettel waren entfernt worden, nur die Nadeln steckten noch im Kork. Ich besaß einen Schreibtisch, einen bequem aussehenden Ledersessel, einen Computer, mit dem man bestimmt E-Mails bis zum Mars schicken konnte, ein Telefon mit viel zu vielen Tasten, ein Headset für das Telefon, Aktenschränke, leere Eingangs- und Ausgangskörbchen, einen zweiten Stuhl für Besucher und einen Drucker.
Ich setzte mich auf den Schreibtischstuhl und drehte mich. Wenn ich mich nach hinten lehnte, konnte ich aus meiner Nische in den Überwachungsraum sehen. Der Computer war anders als meiner zu Hause. Ich hatte keine Ahnung, wie man mit dem Ding umging. Mit der Telefonanlage ebenso wenig. Vielleicht sollte ich das Bewerbungsformular für die Hygieneartikelfabrik doch noch nicht in den Müll werfen. Vielleicht war es mehr nach meinem Geschmack, Verpackungsmaschinen zu beaufsichtigen. Ich schaute in die Schreibtischschubladen: Stifte, Haftnotizen, Klebeband, Tacker, linierte Blöcke, Advil. Das Schmerzmittel war eventuell ein gutes Zeichen. Ich wäre gerne in die Küche gegangen und hätte mir einen Kaffee geholt, aber ich wollte meine Nische nicht verlassen. Hier fühlte ich mich sicher. Hier musste ich keinem Kollegen ins Auge blicken. Einige von Rangers Leuten sahen aus, als müssten sie eigentlich schwarz-weiß gestreifte Overalls und elektronische Fußfesseln tragen.
Fünf Minuten, nachdem Ranger gegangen war, kam Tank mit einem kleinen Karton zu mir. Er stellte ihn auf dem Schreibtisch ab und packte aus: einen Generalschlüssel für die Tiefgarage und Rangers Apartment, eine Sig Sauer 9 mit zusätzlichem Magazin, einen Elektroschocker, ein Handy, einen laminierten Ausweis zum Umhängen, der mich als Angestellte von RangeMan identifizierte. Er zeigte mein Foto, obwohl ich gar nicht geknipst worden war. Ich beschloss, nicht zu fragen, woher sie das Bild hatten.
»Ich weiß nicht, wie man mit dieser Pistole umgeht«, sagte ich zu Tank. »Ich habe einen Revolver.«
»Ranger hat dich für morgen früh zehn Uhr zum Training am Schießstand eingetragen. Du musst die Waffe, das Handy und den Ausweis immer bei dir haben. Mit dem Ausweis ist es nicht so schlimm. Der ist für draußen. Trotzdem ist es besser, ihn dabeizuhaben, falls du wegen der Pistole befragt wirst.«
Tank ging, und Silvio kam mit einer Tasse Kaffee. »Er ist ohne Zucker und mit Sahne«, sagte er und stellte den Kaffee vor mir auf den Tisch. »Wenn du Zucker willst – in der Schublade links sind ein paar Päckchen.« Silvio zog den Besucherstuhl heran. »Gut«, sagte er. »Dann sehen
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