Die Chaos Queen
er posaunte seine Gefühle nicht heraus. Es war meistens unmöglich zu erraten, was in seinem Kopf vorging, es sei denn, er hatte gerade die Zunge in meinem Mund. Doch hin und wieder tauchte er aus der Versenkung auf und gab eine völlig unerhörte sexuelle Anspielung von sich – wie ein kleines Geschenk, das nur bei besonderen Gelegenheiten verteilt wurde. Zumindest bei einem normalen Mann wäre die Anspielung unerhört … zu Ranger passte sie wie die Faust aufs Auge.
»Ich dachte, bei dir arbeiten keine Frauen«, gab ich zurück.
»Die einzige Frau, die für dich arbeitet, ist deine Haushälterin.«
»Ich stelle Leute ein, die für den jeweiligen Job qualifiziert sind. Im Moment kann ich jemanden gebrauchen, der am Telefon sitzt und den Papierkram macht. Du würdest gut passen.
Du kennst das ja: von neun bis fünf, fünf Tage die Woche. Das Gehalt musst du mit meinem Geschäftsführer absprechen. Solltest du mal drüber nachdenken. Unsere Tiefgarage ist sicher. Du müsstest dir keine Sorgen machen, in die Luft zu fliegen, wenn du abends nach Hause fährst.«
Ranger besitzt ein kleines siebenstöckiges Bürogebäude im Zentrum von Trenton. Von außen ist es unauffällig. Gut erhalten, aber architektonisch uninteressant. Von innen ist es total high-tech und nobel, mit einer supermodernen Überwachungsanlage, Büros, einem Fitnessraum, Apartments für Rangers Angestellte und einer Wohnung für Ranger im obersten Geschoss. Vor noch nicht allzu langer Zeit war ich mal für ein paar Tage in Rangers Wohnung untergekommen. Ich lebte bei ihm, aber – wohlverstanden – nicht mit ihm zusammen. Es war ebenso angenehm wie schrecklich gewesen. Schrecklich, weil es Rangers Wohnung war und er manchmal ein angsteinflößender Typ war. Angenehm, weil er zu leben verstand.
Das Stellenangebot war verlockend. Mein Auto wäre in Sicherheit. Ich wäre in Sicherheit. Ich könnte meine Miete zahlen. Und die Wahrscheinlichkeit, mich in Müll zu wälzen, war gering.
»Gut«, sagte ich. »Ich nehme den Job.«
»Melde dich am Tor über die Sprechanlage an, wenn du morgen früh kommst. Zieh schwarze Sachen an. Du arbeitest im vierten Stock.«
»Gibt es was Neues über Benny Gorman?«
»Nein. Das gehört zu den Sachen, um die du dich kümmern sollst. Vielleicht kannst du da was herausfinden.«
Rangers Pager summte, er schaute nach. »Elroy Dish ist wieder im Blue Fish. Willst du mitkommen?«
»Nein, danke. Alles schon gehabt.«
»Sei vorsichtig.«
Und weg war er.
Ich sah auf die Uhr. Fast fünf. Perfekt. Fünf Uhr war bei Stiva die Zeit zwischen den nachmittäglichen und den abendlichen Aufbahrungen. Ich fuhr die kurze Strecke die Hamilton hinauf und parkte am Straßenrand. Stiva war in seinem Büro neben dem großen Eingangsbereich. Ich klopfte an den Türrahmen, und er schaute von seinem Computer auf.
»Stephanie«, sagte er. »Freut mich immer, dich zu sehen.«
Die Begrüßung war höflich, aber ich wusste, dass es glattweg gelogen war. Stiva war mit Leib und Seele Bestatter. Er war ein Pol professioneller Ruhe in einem stürmischen Ozean. Nie würde er einen zukünftigen Kunden vergraulen. Die hässliche Wahrheit lautete jedoch: Stiva würde sich eher einen angespitzten Stock ins Auge rammen, als sich mit Grandma oder mir abzugeben. Lebend jedenfalls. Tot wäre es natürlich was anderes.
»Ich hoffe, es gibt keine schlechten Nachrichten«, sagte Stiva.
»Ich wollte mit dir über Spiro sprechen. Hast du ihn seit dem Brand gesehen?«
»Nein.«
»Mit ihm gesprochen?«
»Nein. Warum fragst du?«
»Er saß in dem Auto, das Morelli überfahren hat.«
Stiva verschlug es die Sprache, und seine vanilleblassen Wangen wurden rot. »Ist das dein Ernst?«
»Leider ja. Tut mir leid. Ich habe ihn deutlich erkannt.«
»Wie sieht er aus?«, wollte Stiva wissen.
Mir wurde ganz mulmig. Stiva war ein besorgter Vater, der etwas über seinen vermissten Sohn hören wollte. Was sollte ich nur sagen?
»Ich habe ihn nur kurz gesehen«, sagte ich. »Er wirkte ganz gesund. Hatte vielleicht ein paar Narben im Gesicht vom Brand.«
»Wahrscheinlich ist er vorbeigefahren und hat die Kontrolle über das Auto verloren«, vermutete Stiva. »Jetzt weiß ich wenigstens, dass er noch lebt. Danke, dass du mir das gesagt hast.«
»Ich dachte, du würdest gerne Bescheid wissen.«
Es gab nichts mehr zu sagen. Stiva hatte keine Informationen für mich, und ich wollte ihm nicht die ganze Geschichte erzählen. Ich verließ das Beerdigungsinstitut
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