Die Chirurgin
haben.«
Moore schluckte seinen Ärger über den Wortwechsel rasch hinunter. Er wusste, dass Singer nur seine eigene Arbeit an dem Fall verteidigte, und er konnte ihm seine Skepsis nicht verdenken. Er begann allmählich seine eigenen Instinkte in Frage zu stellen. Er war eigens den weiten Weg nach Savannah gereist, um die Partnertheorie entweder zu beweisen oder zu widerlegen, und bisher hatte er noch nichts gefunden, was sie gestützt hätte.
Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Bildschirm zu und drückte die Abspieltaste.
Die Kamera verließ die Küche und bewegte sich den Flur entlang. Sie hielt kurz inne, um einen Blick ins Badezimmer zu gestatten – pinkfarbene Handtücher, ein Duschvorhang mit bunten Fischmotiven. Moores Hände schwitzten. Alles in ihm sträubte sich gegen das, was nun kommen würde, doch er konnte den Blick nicht vom Fernsehbildschirm losreißen. Die Kamera wandte sich vom Badezimmer ab und fuhr weiter den Flur entlang, vorbei an einem Aquarell mit rosafarbenen Pfingstrosen, das an der Wand hing. Die blutigen Fußspuren auf dem Boden waren von den ersten am Tatort eingetroffenen Beamten zertrampelt und verschmiert worden, später auch von den hektisch hereinstürzenden Sanitätern. Zurückgeblieben war ein verwirrendes abstraktes Gemälde in Rot. Im Hintergrund tauchte eine offene Tür auf. Das verwackelte Bild verriet eine unruhige Hand.
Jetzt erfasste die Kamera das Innere des Schlafzimmers.
Moore spürte, wie sich ihm der Magen umdrehte – nicht etwa, weil das, was er sah, schockierender gewesen wäre als all die Tatorte, die er bisher gesehen hatte. Nein, diese Schreckensbilder gingen ihm an die Nieren wie nichts sonst, weil er die Frau, die hier gelitten hatte, kannte und sie ihm sehr viel bedeutete. Er hatte die Fotos von diesem Raum studiert, doch sie waren nicht von der gleichen grausigen Intensität wie der Videofilm. Auch wenn Catherine nirgends zu sehen war – sie war zu diesem Zeitpunkt bereits ins Krankenhaus gebracht worden –, sprangen ihm die sichtbaren Spuren ihres Martyriums überdeutlich in die Augen. Er sah die Nylonschnur, mit der sie an Hand- und Fußgelenken gefesselt worden war, und die immer noch an den vier Bettpfosten hing. Er sah chirurgische Instrumente – ein Skalpell und Wundhaken –, die der Täter auf dem Nachttisch zurückgelassen hatte. All das sah er, und die Wirkung war so überwältigend, dass er tatsächlich auf seinem Stuhl zurückzuckte, als habe ihn ein Faustschlag getroffen.
Als die Kameralinse sich zuletzt auf den tot am Boden liegenden Andrew Capra richtete, empfand er kaum eine Gefühlsregung; er war schon ganz betäubt von dem, was er vorher gesehen hatte. Capras Bauchwunde hatte stark geblutet, und unter seinem Rumpf hatte sich bereits eine große Lache gebildet. Die zweite Kugel, die ihn ins Auge getroffen hatte, hatte die tödliche Verletzung verursacht. Er dachte wieder an die Lücke von fünf Minuten zwischen den beiden Schüssen. Das Bild, das er vor sich sah, bestätigte den Zeitablauf, wie er in den Akten stand. Nach der Menge von Blut zu urteilen, hatte Capra noch wenigstens ein paar Minuten blutend am Boden gelegen, bevor der Tod eingetreten war.
Das Videoband war zu Ende.
Er stierte den leeren Bildschirm an, dann riss er sich aus seiner lähmenden Starre und schaltete den Rekorder aus. Er fühlte sich so ausgelaugt, dass er sich nicht von seinem Stuhl erheben konnte. Als er es schließlich doch tat, trieb ihn nur der Wunsch, diesen Ort zu verlassen. Er hob den Karton mit den Kopien der Ermittlungsakten von Atlanta auf. Da es sich nicht um die Originale handelte, konnte er sie auch anderswo durchsehen.
Im Hotel duschte er und aß einen Hamburger und Pommes frites, die er beim Zimmerservice bestellt hatte. Dann gönnte er sich eine Stunde vor dem Fernseher, um seine Nerven zu beruhigen. Aber die ganze Zeit, während er zwischen den Kanälen hin und her schaltete, juckte es ihm in den Fingern, Catherine anzurufen. Dieses letzte Tatortvideo hatte ihm mehr als deutlich gemacht, welch ein Monster in diesem Moment hinter ihr her war. Das ließ ihm keine Ruhe.
Zweimal griff er nach dem Hörer und legte ihn gleich wieder hin. Dann hob er ihn noch einmal auf, und diesmal bewegten sich seine Finger, als führten sie ein Eigenleben, und tippten die Nummer ein, die er so gut kannte. Es klingelte viermal, dann hatte er Catherines Anrufbeantworter dran.
Er legte auf, ohne eine Nachricht zu hinterlassen.
Dann starrte er das
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