Die Chirurgin
Speichels analysieren lassen?«
»Warum sollten wir?«
»Sie wissen nicht, wer daraus getrunken hat?«
»Es waren nur zwei Personen im Haus, als der erste Beamte auf den Anruf hin am Tatort eintraf. Capra und Cordell.«
»Auf dem Couchtisch standen zwei Gläser. Wer hat aus diesem dritten Glas getrunken?«
»Mein Gott, es hat vielleicht schon den ganzen Tag dort im Spülbecken gestanden. Es war nicht relevant für die Situation, wie wir sie vorfanden.«
Der Kameramann hatte seinen Schwenk durch die Küche beendet und ging nun den Flur entlang.
Moore schnappte die Fernbedienung und drückte auf Rücklauf. Er spulte das Band bis zum Anfang der Küchenszene zurück.
»Was ist denn?«, fragte Singer.
Moore antwortete nicht. Er rückte noch näher heran und sah gebannt hin, während die Bilder ein zweites Mal über den Schirm liefen. Der Kühlschrank, übersät mit kleinen, bunten Magneten in Fruchtform. Die Mehl- und Zuckerbehälter auf dem Küchentresen. Das Spülbecken mit dem einzelnen Wasserglas. Dann schwenkte die Kamera an der Küchentür vorbei in Richtung Flur.
Moore drückte erneut auf Rücklauf.
»Was wollen Sie denn da erkennen?«, fragte Singer.
Das Band zeigte wieder das Bild des Wasserglases. Die Kamera begann Richtung Flur zu schwenken. Moore drückte die Pausetaste. »Da«, sagte er. »Die Küchentür. Wohin führt die?«
»Hm – in den Garten. Da ist ein Rasen dahinter.«
»Und was ist hinter dem Garten?«
»Der Nachbargarten. Eine weitere Häuserreihe.«
»Haben Sie mit dem Besitzer des angrenzenden Gartens gesprochen? Hat er oder sie die Schüsse gehört?«
»Was macht das für einen Unterschied?«
Moore stand auf und trat auf den Fernseher zu. »Die Küchentür«, sagte er, indem er mit dem Finger auf den Bildschirm tippte. »Da ist eine Kette. Und die ist nicht vorgelegt.«
Singer war einen Moment still. »Aber die Tür ist verschlossen. Sehen Sie die Position von diesem Türknauf?«
»Genau. Das ist so ein Hebel, den man von innen aufdrücken kann. Wenn man die Tür dann hinter sich zumacht, ist sie verschlossen.«
»Und worauf wollen Sie hinaus?«
»Warum sollte sie die Tür mit dem Hebel verschließen, ohne die Kette vorzulegen? Wer abends die Türen und Fenster dicht macht, der erledigt beides auf einmal. Zuerst die Tür verriegeln, dann die Kette vorlegen. Sie hat den zweiten Schritt ausgelassen.«
»Vielleicht hat sie es bloß vergessen.«
»In Savannah waren schon drei Frauen ermordet worden. Sie war so besorgt, dass sie eine Waffe unter dem Bett liegen hatte. Ich glaube nicht, dass sie so etwas vergessen hätte.«
Er sah Singer an. »Vielleicht ist irgendjemand durch diese Küchentür hinausgegangen. «
»Es waren nur zwei Personen im Haus. Cordell und Capra.«
Moore überlegte, was er als Nächstes sagen sollte. Ob er mehr zu gewinnen oder zu verlieren hatte, wenn er die Karten offen auf den Tisch legte.
Doch Singer ahnte schon, worauf das Gespräch hinauslief.
»Sie behaupten, Capra hätte einen Partner gehabt.«
»Ja.«
»Das ist aber eine gewaltige Schlussfolgerung, die Sie da auf einer einzigen nicht vorgelegten Kette aufbauen.«
Moore holte einmal kräftig Luft. »Das ist noch nicht alles. An dem Abend, als sie überfallen wurde, hat Catherine Cordell noch eine andere Stimme in ihrem Haus gehört. Einen Mann, der sich mit Capra unterhielt.«
»Das hat sie mir nie erzählt.«
»Es kam bei einer Sitzung mit einem forensischen Hypnotiseur heraus.«
Singer brach in schallendes Gelächter aus. »Sie haben einen Psychofritzen engagiert, um Ihre These zu stützen? Also, damit würden Sie mich aber hundertprozentig überzeugen.«
»Es erklärt, wieso der Chirurg so genau über Capras Methoden Bescheid weiß. Die beiden Männer waren Partner. Und der Chirurg setzt ihre gemeinsame Sache fort, wobei er so weit geht, ihr einziges überlebendes Opfer zu terrorisieren.«
»Die Welt ist voll von Frauen. Warum hat er es ausgerechnet auf sie abgesehen?«
»Eine offene Rechnung.«
»So? Also, ich habe da eine bessere Theorie.« Singer erhob sich von seinem Stuhl. »Cordell hat vergessen, die Kette an der Küchentür vorzulegen. Euer Knabe in Boston macht nur nach, was er in den Zeitungen gelesen hat. Und euer forensischer Hypnotiseur hat eine falsche Erinnerung aus ihrem Unterbewusstsein hervorgezaubert.« Kopfschüttelnd ging er zur Tür. Und ließ Moore mit einer letzten sarkastischen Bemerkung allein: »Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie den wahren Mörder gefasst
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