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Die Chirurgin

Die Chirurgin

Titel: Die Chirurgin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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weiß, dass Dr. Ames für heute Nacht einspringen wollte, aber er wurde aufgehalten. Dr. Kimball könnte Ihre Hilfe gebrauchen!«
    »Sagen Sie ihm, dass ich unterwegs bin.« Catherine schaltete das Licht ein und sah auf die Uhr. Es war Viertel vor drei. Sie hatte nur drei Stunden geschlafen. Das grüne Seidenkleid hing noch über dem Stuhl. Es wirkte irgendwie fremd, als ob es zum Leben einer andern Frau gehörte, nicht zu ihrem eigenen.
    Der OP-Anzug, den sie im Bett getragen hatte, war feucht vom Schweiß, doch sie hatte keine Zeit, sich umzuziehen. Sie band ihr wirres Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen und ging zum Waschbecken, um sich kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen. Die Frau, die sie aus dem Spiegel anstarrte, war eine Fremde mit zutiefst verstörtem Gesichtsausdruck. Nimm dich zusammen. Es ist Zeit, die Angst zu vergessen. Zeit, sich an die Arbeit zu machen. Sie schlüpfte mit nackten Füßen in die Sportschuhe, die sie aus ihrem Spind geholt hatte, und trat mit einem tiefen Seufzer aus dem Bereitschaftszimmer.
    »Geschätzte Ankunftszeit in zwei Minuten!«, rief die Frau von der Notaufnahme. »Der Rettungswagen meldet, dass der Blutdruck auf systolisch siebzig gefallen ist!«
    »Dr. Cordell, sie bereiten gerade Schockraum 2 vor!«
    »Wen haben wir im Team?«
    »Dr. Kimball und zwei Assis. Ein Glück, dass Sie sowieso im Haus sind. Dr. Ames hatte eine Autopanne und kann nicht kommen.«
    Catherine stürmte in den Schockraum. Mit einem Blick erfasste sie, dass das Team auf den schlimmsten Fall vorbereitet war. An drei Stangen hingen Beutel mit Ringer-Laktatlösung, Infusionsschläuche lagen bereit, und ein Kurier wartete nur darauf, mit den Blutproben ins Labor zu eilen. Die beiden Praktikanten standen links und rechts neben dem Tisch mit Infusionskathetern in den Händen, und Ken Kimball, der Dienst habende Arzt in der Notaufnahme, hatte bereits den Klebeverschluss des Laparotomie-Sets abgerissen.
    Catherine setzte sich eine OP-Haube auf und schlüpfte in einen sterilen Kittel. Eine Schwester band den Kittel hinten zu und hielt ihr den ersten Handschuh hin. Mit jedem Teil ihrer Uniform wuchs der Panzer ihrer Autorität; ein Gefühl der Stärke, der absoluten Kontrolle stellte sich ein. In diesem Raum war sie die Retterin, nicht das Opfer.
    »Was liegt vor?«, fragte sie Kimball.
    »Überfall mit schwerer Körperverletzung. Traumata an Hals und Abdomen.«
    »Schussverletzungen?«
    »Nein. Stichwunden.«
    Catherine streifte sich gerade den zweiten Handschuh über; jetzt hielt sie mitten in der Bewegung inne. Ihr Magen krampfte sich zusammen. Hals und Abdomen. Stichwunden.
    »Rettungswagen fährt ein!«, rief eine Schwester durch die Tür.
    »Jetzt wird’s mal wieder blutig«, sagte Kimball. Er ging dem Patienten entgegen.
    Catherine, die bereits sterile Kleidung trug, blieb an Ort und Stelle. Im Raum war es plötzlich totenstill geworden. Niemand sprach ein Wort; weder die beiden AiPler, die am Tisch warteten, noch die OP-Schwester, die bereitstand, Catherine die Instrumente zu reichen. Sie konzentrierten sich ganz auf das, was sich jenseits der Tür abspielte.
    Sie hörten Kimball rufen: »Los, los, los! «
    Die Tür sprang auf, und die Fahrtrage kam hereingerollt. Catherine erblickte blutgetränkte Laken, die blutverkrusteten braunen Haare einer Frau. Ihr Gesicht war durch das Klebeband verdeckt, mit dem der Endotrachealtubus fixiert war.
    Mit einem »Eins, zwei, drei!« hoben sie die Patientin auf den Tisch.
    Kimball zog das Laken weg, das den Rumpf des Opfers bedeckt hatte.
    In dem Chaos, das um sie herum herrschte, konnte niemand hören, wie Catherine erschrocken nach Luft schnappte. Niemand bemerkte, wie sie taumelnd einen Schritt zurücktrat. Sie starrte auf den Hals des Opfers mit dem tiefroten, blutgetränkten Druckverband. Dann wanderte ihr Blick zum Abdomen, wo ein weiterer hastig angebrachter Verband sich bereits zu lösen begann, sodass das Blut über die nackte Haut herabrann. Während alles ringsum in hektische Aktivität verfiel, während Infusionsschläuche und EKG-Kabel angeschlossen und Luft in die Lungen des Opfers gepumpt wurde, stand Catherine reglos vor Entsetzen da.
    Kimball zog den Bauchverband ab. Dünndarmschlingen quollen heraus und fielen klatschend auf den Tisch.
    »Systolischer Druck kaum tastbar bei sechzig! Sinustachykardie …«
    »Ich kriege diesen Zugang nicht gelegt. Die Vene ist kollabiert!«
    »Versuch’s mit der Subclavia!«
    »Kann ich noch einen Katheter

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