Die Chirurgin
Patientin die Fassung und begann zu weinen. Sie sagte aus, es habe sich nicht um einvernehmlichen Verkehr gehandelt; den Namen des Täters kenne sie nicht. Möchte die Vergewaltigung nicht zur Anzeige bringen. Verweigert Überweisung an Beratungsstelle für Vergewaltigungsopfer.‹«
Frost hob den Kopf. »Das ist alles, was Dr. Gillespie aus ihr herausbekommen konnte. Sie führte eine Beckenuntersuchung durch, testete auf Syphilis, Gonorrhö und HIV und forderte die Patientin auf, in zwei Monaten wiederzukommen, um einen HIV-Bestätigungstest durchführen zu lassen. Was die Patientin nicht tat, weil sie zu dem Zeitpunkt bereits tot war.«
»Und Dr. Gillespie hat nicht die Polizei informiert? Auch nicht, nachdem der Mord geschehen war?«
»Sie wusste nicht, dass ihre Patientin tot war. Sie hatte die Zeitungsmeldungen nicht gelesen.«
»Wurden Spuren sichergestellt? Sperma?«
»Nein. Die Patientin, äh …« Frost lief vor Verlegenheit knallrot an. Selbst einem verheirateten Mann wie Frost fiel es schwer, über gewisse Themen zu sprechen. »Sie hat gleich nach der Vergewaltigung mehrere Spülungen gemacht.«
»Kann man ihr das verdenken?«, meinte Rizzoli.
»Scheiße, ich hätte mich an ihrer Stelle am liebsten mit Sagrotan ausgespült.«
»Drei Vergewaltigungsopfer«, sagte Marquette. »Das ist kein Zufall.«
»Finden Sie ihren Vergewaltiger«, bemerkte Zucker, »und ich glaube, Sie haben Ihren Killer. Was macht die DNS-Analyse im Fall Nina Peyton?«
»Da wird mit Hochdruck dran gearbeitet«, antwortete Rizzoli. »Das Labor hat die Spermaprobe schon fast zwei Monate, ohne dass irgendetwas gemacht worden wäre. Also hab ich ihnen ein bisschen Feuer unterm Hintern gemacht. Drücken wir die Daumen, dass der Täter schon in CODIS registriert ist.«
CODIS war die nationale DNS-Datenbank des FBI. Das System steckte noch in den Kinderschuhen, und die genetischen Fingerabdrücke von einer halben Million verurteilter Straftäter warteten noch darauf, in die Datenbank eingegeben zu werden. Ihre Chancen, einen »Treffer« zu landen, also eine Übereinstimmung mit einem bekannten Straftäter, waren gering.
Marquette sah Dr. Zucker an. »Unser unbekannter Täter vergewaltigt zuerst das Opfer. Und dann kommt er Wochen später wieder, um sie zu töten? Ergibt das einen Sinn?«
»Es muss ja für uns keinen Sinn ergeben«, erwiderte der Psychologe. »Nur für ihn. Es ist nichts Ungewöhnliches daran, dass ein Vergewaltiger ein und dasselbe Opfer ein zweites Mal attackiert. Da spielt so etwas wie Besitzdenken mit. Zwischen Opfer und Täter entsteht eine Art Beziehung, wie krankhaft sie auch immer sein mag.«
Rizzoli schnaubte verächtlich. »Sie nennen das eine Beziehung?«
»Zwischen Täter und Opfer. Es klingt pervers, aber so ist es nun mal. Das Ganze beruht auf Macht. Zuerst nimmt er ihr die Herrschaft über sich selbst, nimmt ihr, was sie zu einem Menschen macht. Sie ist nun ein Objekt. Er weiß es, und – was das Allerwichtigste ist – sie weiß es. Es ist die Tatsache, dass sie so verletzt ist, so erniedrigt, die ihn möglicherweise derart erregt, dass er wiederkommen muss. Zuerst brandmarkt er sie durch die Vergewaltigung. Dann kommt er noch einmal, um seinen Besitzanspruch endgültig zu besiegeln.«
Verletzte, erniedrigte Frauen, dachte Moore. Das ist die Verbindung zwischen den Opfern. Plötzlich drängte sich ihm der Gedanke auf, dass auch Catherine zu diesen Frauen gehörte.
»Catherine Cordell hat er aber nie vergewaltigt«, sagte Moore.
»Aber sie ist ein Vergewaltigungsopfer.«
»Ihr Vergewaltiger ist seit zwei Jahren tot. Wie hat der Chirurg sie als Opfer identifizieren können? Wie ist sie auf seinen Radarschirm gelangt? Sie spricht nie über den Überfall, mit niemandem.«
»Sie hat aber online darüber gesprochen, nicht wahr? In diesem privaten Chatroom …« Zucker schien nachzudenken.
»Mein Gott – ist es vielleicht möglich, dass er seine Opfer im Internet findet?«
»Wir sind dieser Theorie nachgegangen«, sagte Moore.
»Nina Peyton besitzt gar keinen Computer. Und Cordell hat den anderen Teilnehmern des Chatrooms nie ihren Namen verraten. Was uns wieder zu der Frage zurückbringt: Wie ist der Chirurg auf Cordell verfallen?«
»Er scheint in der Tat auf sie fixiert zu sein«, meinte Zucker. »Er lässt nichts unversucht, um sie zu provozieren. Er nimmt Risiken auf sich, nur um ihr dieses Foto von Nina Peyton zu mailen. Und das hat eine für ihn katastrophale Kette von Ereignissen zur
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