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Die Chirurgin

Die Chirurgin

Titel: Die Chirurgin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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inspizierte ihre geschwollene Wange. »O Mann. Das Schwein hat’s aber wirklich nicht besser verdient.«
    Genau das wollte Rizzoli auch glauben: dass Pacheco den Tod verdient hatte. Ja, so war es; sie quälte sich völlig grundlos. War ihr Gesicht nicht der deutlichste Beweis? Er hatte sie angegriffen. Er war ein Monster, und indem sie ihn erschossen hatte, hatte sie auf rasche und unkomplizierte Weise für Gerechtigkeit gesorgt. Elena Ortiz, Diana Sterling und Nina Peyton hätten ihr gewiss applaudiert. Niemand weint dem Abschaum dieser Erde eine Träne nach.
    Sie stieg aus dem Wagen. Frosts Mitgefühl hatte sie bereits ein wenig aufgemuntert. Sie fühlte sich wieder stärker. Sie ging auf das Haus zu und sah Marquette in der Nähe des Eingangs stehen. Er unterhielt sich mit Moore.
    Die beiden Männer drehten sich zu ihr um, als sie näher trat. Ihr fiel auf, dass Moore es vermied, ihr in die Augen zu schauen, und stattdessen ins Leere blickte. Er sah mitgenommen aus.
    Marquette sagte: »Ich brauche Ihre Waffe, Rizzoli.«
    »Ich habe in Notwehr geschossen. Der Verdächtige hat mich angegriffen.«
    »Das verstehe ich ja. Aber Sie kennen doch die Vorschriften.«
    Sie sah Moore an. Ich habe dich gemocht. Ich habe dir vertraut. Sie schnallte ihr Halfter ab und drückte es Marquette mit einer ungehaltenen Bewegung in die Hand. »Verdammte Scheiße, wer ist denn hier eigentlich der Feind?«, sagte sie. »Das frage ich mich manchmal wirklich.« Und sie machte auf dem Absatz kehrt und ging zu ihrem Wagen zurück.
     
    Moore starrte in Karl Pachecos Kleiderschrank und dachte: Hier stimmt einfach überhaupt nichts. Auf dem Boden lagen ein halbes Dutzend Paar Schuhe, Größe 46, extra breit. In den Regalen fand er eingestaubte Pullover, einen Schuhkarton mit alten Batterien und Kleingeld sowie einen Stapel Penthouse-Magazine.
    Hinter sich hörte er, wie eine Schublade aufgezogen wurde. Er drehte sich um und erblickte Frost, dessen behandschuhte Finger Pachecos Sockenschublade durchstöberten.
    »Schon was gefunden?«, fragte Moore.
    »Keine Skalpelle, kein Chloroform. Nicht einmal eine Rolle Klebeband.«
    »Klingeling«, verkündete Crowe vom Badezimmer her. Dann kam er herausgeschlendert und schwenkte eine Plastiktüte voller Glasfläschchen, die eine bräunliche Flüssigkeit enthielten. »Frisch aus dem sonnigen Mexiko, dem pharmazeutischen Schlaraffenland.«
    »Rohypnol?«, fragte Frost.
    Moore warf einen Blick auf das Etikett, das eine spanische Aufschrift trug. »Gamma-Hydroxybutyrat. Selbe Wirkung.«
    Crowe schüttelte die Tüte. »Da stecken mindestens hundert Vergewaltigungen drin. Muss einen äußerst aktiven Schwanz gehabt haben, unser Pacheco.« Er lachte.
    Der Ton war Moore zuwider. Er dachte an diesen aktiven Schwanz und den Schaden, den er angerichtet hatte. Nicht nur die physischen, auch die psychischen Verletzungen. Die Seelen, die er zerrissen hatte. Er erinnerte sich an Catherines Worte: dass das Leben jedes Vergewaltigungsopfers in ein Vorher und ein Nachher zerfiel. Eine Vergewaltigung verwandelt die Welt für die betroffene Frau in eine öde, fremde Landschaft, in der jedes Lächeln, jeder heitere Moment das Gift der Verzweiflung in sich tragen. Vor einigen Wochen wäre ihm Crowes zynisches Lachen noch kaum aufgefallen. Heute Abend hörte er es nur zu gut, und er erkannte, wie hässlich es war.
    Er ging ins Wohnzimmer, wo der Farbige von Detective Sleeper verhört wurde.
    »Ich sag Ihnen doch, wir haben nur so rumgehangen.«
    »Haben Sie immer sechshundert Dollar in der Tasche, wenn Sie nur so rumhängen?«
    »Ich hab halt gern ein bisschen was Bares dabei, Mann.«
    »Weshalb waren Sie hier? Was wollten Sie kaufen?«
    »Nix.«
    »Woher kennen Sie Pacheco?«
    »Einfach so.«
    »Oh, ein wirklich guter Freund. Was hat er verkauft?«
    GHB, dachte Moore. Die Vergewaltiger-Droge. Das hatte er kaufen wollen. Noch so ein aktiver Schwanz.
    Er trat hinaus in die Nacht. Die pulsierenden Lichter der Streifenwagen verwirrten ihn. Rizzolis Wagen war verschwunden. Er starrte auf den leeren Fleck, wo er gestanden hatte, und die Last dessen, was er getan hatte, wozu er sich gezwungen gesehen hatte, drückte plötzlich so schwer auf seine Schultern, dass er sich nicht von der Stelle rühren konnte. Noch nie in seiner Laufbahn hatte er vor einer so schwierigen Entscheidung gestanden, und obwohl er in seinem Innersten davon überzeugt war, dass er das Richtige getan hatte, quälte ihn das Gewissen. Er versuchte den Respekt,

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