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Die Chirurgin

Die Chirurgin

Titel: Die Chirurgin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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seiner Wohnung!«
    »Weg. Er ist weggegangen…«
    »Wann?«
    Der Mann fing an zu husten, tief und stoßweise; es klang, als müsse es seine Lungen zerreißen. Die anderen Polizisten hatten sich im Kreis um ihn versammelt und starrten den auf dem Boden liegenden Gefangenen mit unverhohlenem Hass an. Den Freund eines Polizistenmörders.
    Angewidert wandte Rizzoli sich ab und ging durch den Flur zum Schlafzimmer. Die Tür des Kleiderschranks stand offen, die Kleiderbügel lagen verstreut am Boden. Die Wohnung war gründlich und mit roher Gewalt durchsucht worden; jede Tür aufgerissen, jedes mögliche Versteck offen gelegt. Sie zog sich Handschuhe über und begann die Schubladen der Kommode und sämtliche Taschen zu durchwühlen auf der Suche nach einem Kalender, einem Adressbuch, irgendetwas, das ihnen verraten hätte, wohin Pacheco geflüchtet sein könnte.
    Sie hob den Kopf, als Moore das Zimmer betrat. »Sind Sie verantwortlich für dieses Durcheinander?«, fragte sie.
    Er schüttelte den Kopf. »Marquette hat sein Okay gegeben. Wir hatten die Information bekommen, dass Pacheco im Haus ist.«
    »Aber wo ist er dann?« Sie stieß die Schublade zu und ging zum Schlafzimmerfenster. Es war geschlossen, aber nicht verriegelt. Die Feuerleiter war unmittelbar dahinter. Sie öffnete das Fenster und streckte den Kopf heraus. Unten in der Seitenstraße stand ein Einsatzwagen. Das Funkgerät quäkte, und sie erblickte einen Streifenpolizisten, der mit seiner Taschenlampe in einen Müllcontainer leuchtete.
    Sie wollte eben den Kopf zurückziehen, als sie einen leichten Schlag am Hinterkopf verspürte und das leise Geräusch von Schotter hörte, der über die Feuertreppe rieselte. Aufgeschreckt sah sie nach oben. Der Nachthimmel war von den Lichtern der Großstadt überflutet, die Sterne waren kaum zu erkennen. Sie starrte einen Augenblick lang nach oben und suchte mit den Augen die Dachkante vor dem Hintergrund des kränklich blassen Himmels ab, doch nichts rührte sich.
    Sie stieg durchs Fenster auf die Feuertreppe und kletterte die Leiter zum zweiten Stock hoch. Auf dem nächsten Absatz blieb sie stehen, um das Fenster der Wohnung über der von Pacheco zu inspizieren. Das Fliegengitter war festgenagelt, dahinter war alles dunkel.
    Wieder blickte sie zum Dach hoch. Sie konnte nichts erkennen, hörte auch kein Geräusch von oben, aber dennoch stellten sich ihr die Nackenhaare auf.
    »Rizzoli?«, rief Moore aus dem Fenster. Sie antwortete nicht, sondern deutete nur nach oben, um ihm lautlos ihre Absicht anzuzeigen.
    Nachdem sie sich die verschwitzten Hände an der Hose abgewischt hatte, begann sie geräuschlos die Leiter zum Dach emporzusteigen. Auf der letzten Sprosse hielt sie inne, holte einmal tief Luft und hob dann ganz, ganz langsam den Kopf über die Dachkante.
    Die Dachterrasse lag wie ein Wald von Schatten unter dem mondlosen Himmel. Sie erkannte die Silhouetten eines Tisches und einiger Stühle, ein Gewirr gebogener Äste. Ein Dachgarten. Sie kletterte über die Kante, landete leichtfüßig auf den Asphaltschindeln und zog ihre Waffe. Zwei Schritte, dann stieß sie mit dem Schuh gegen ein Hindernis, das scheppernd davonrollte. Sie atmete den durchdringenden Duft von Geranien ein. Es dämmerte ihr, dass sie in einem Wald von Topfpflanzen stand. Eine Hindernisbahn breitete sich zu ihren Füßen aus.
    Links von ihr, in einiger Entfernung, bewegte sich etwas.
    Sie spähte angestrengt in die Dunkelheit und versuchte die menschliche Gestalt in dem Chaos von Schatten auszumachen. Dann sah sie ihn, ein zusammengekauertes Etwas.
    Sie hob die Waffe und rief: »Keine Bewegung!«
    Sie sah nicht, was er in der Hand hielt. Was er hochhielt, um es nach ihr zu schleudern.
    Einen Sekundenbruchteil, bevor die Pflanzschaufel ihr Gesicht traf, spürte sie den Luftzug, der wie ein Unheil bringender Wind aus der Dunkelheit auf sie einströmte. Der Schlag traf sie mit solcher Wucht an der linken Wange, dass vor ihren Augen Lichtblitze auftauchten.
    Sie fiel auf die Knie, und eine Woge von Schmerz überflutete ihre Synapsen, so heftig, dass es ihr den Atem verschlug.
    » Rizzoli! « Es war Moore. Sie hatte gar nicht gehört, wie er von der Brüstung aufs Dach gesprungen war.
    »Ich bin okay. Ich bin okay …« Sie spähte blinzelnd zu der Stelle hin, wo die Gestalt gekauert hatte. Sie war verschwunden. »Er ist hier«, flüsterte sie. »Ich will den Scheißkerl zu fassen kriegen.«
    Moore rückte vorsichtig in die Dunkelheit vor. Sie hielt

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