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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Roscoe Rules wieder zurückgestolpert. Die Flasche Bourbon in seiner Hand war noch zu zwei Dritteln voll. »Soll ich dir mal sagen, was du bist, du dicktittrige Fotze. Du bist doch nur 'n Polizeigroupie! Eine Bullenlutscherin!« Dann machte Roscoe wieder kehrt und taumelte zum Ententeich zurück, wo Spencer van Moot gerade seine vollgekotzte Decke zu waschen versuchte. Roscoe blieb nur für einen kurzen Moment neben Baxter Slates Decke stehen und bückte sich rasch nach dessen Wagenschlüsseln, und als er sich vergewissert hatte, daß ihn niemand beobachtete, schleuderte er sie in den Teich hinaus.
    Und dann zeigte Carolina Moon, was sie alles konnte. In Sekundenschnelle überwältigte sie Francis Tanaguchi, indem sie ihm einen Polizeigriff anlegte, den ihr Spermwhale beigebracht hatte, falls ihr einmal ein Gast in der Bar, in der sie arbeitete, dumm kommen sollte. Unter dem Beifall der restlichen Chorknaben zwang Carolina dann den stöhnenden Japaner, sich nach vorn zu beugen, bis sein Kopf den Boden berührte und ihm sein LAPD-Basketballtrikot übers Gesicht rutschte. Als nächstes packte sie ihn an den weiten Aufschlägen seiner verwaschenen weißen Jeans und zerrte seine Beine in die Höhe.
    »Weiter so, Carolina! Weiter so!« feuerte Pater Willie Wright sie an.
    Und während nun das üppige Mädchen den Kopf des fassungslosen Chorknaben gegen ihren gut gepolsterten Bauch preßte, fiel aus Francis' Hosentaschen neben ein paar Münzen, Schlüsseln und einem Kamm auch eine Packung Kondome. Der Anblick der letzteren veranlaßte Carolina Moon, Francis auf der Stelle loszulassen, so daß er schmerzhaft zu Boden krachte.
    »Gummis!« stieß eine schwitzende Carolina ungläubig hervor. »Gummis! Hast du das gesehen, Ora Lee, dieser Mickerling schleppt Gummis mit sich rum!«
    »Buuuuh! Buuuuh! Nieder mit diesem Pseudo-Pancho Villa!« schmetterte Pater Willie los.
    »So denkst du also von uns!« erboste sich Carolina Moon. »Das ist es also, was du von uns denkst! Wir sollten dir die Dinger doch glatt über den Kopf ziehen, du mieser kleiner Scheißjapse!«
    »Black Jack Pershing hätte es diesen tuntigen Mexikanern wie Francis schon gezeigt!« brüllte Roscoe Rules aus seinem Exil im Dunkeln.
    »Ich werde nie vergessen, wie ich Carolina Moon zum erstenmal gesehen habe«, schwärmte Spencer van Moot romantisch, als er, nach Kotze und abgestandenem Wasser stinkend, vom Ententeich zurückgestolpert kam und Carolina mit seinem Duft in die Flucht schlug.
    »Sie war damals noch jünger und einfach entzückend«, rülpste Spencer feucht, so daß es schon alle mit der Angst zu tun bekamen. »Das war noch vor eurer Zeit, Jungs, und ich war damals noch ein junger Bulle, und dieses Prachtmädel mit Titten wie Volleybällen kommt auf meinen Streifenwagen zu, als wir gerade in diesem Drive-in an der La Brea Pause machten, und sie schaut mir direkt in die Augen und sagt: ›So was, dabei hätte ich gedacht, ich hätte schon jedem Beamten der Wilshire einen geblasen.‹ Und von diesem Augenblick an war mir die gute Carolina einfach ans Herz gewachsen.« Mit einem schüchternen Lächeln erwiderte Carolina: »Spence, Schätzchen, du bist einfach lieb. Aber wieso gehst du jetzt nicht lieber zu deiner Frau und deinen Kleinen nach Hause. Ich finde, du bist schon längst überreif.«
    Spencer warf seine Decke wie eine Toga um sich, leerte eine Dose warmes Bier, die er irgendwo im Gras aufgespürt hatte, und ließ neuerlich einen beängstigenden Rülpser los. Seine Augen schimmerten feucht, und sein schmaler, blonder Schnurrbart zuckte leicht, als er in tiefen Zügen die kühle Nachtluft einsog, zu dem großen Stern in dem smogbedeckten Himmel aufblickte und sich nach seiner verlorenen Jugend zurücksehnte.
    »Verdammte Scheiße, Spencer stinkt ja wie die Pest«, beschwerte sich Calvin Potts. »Wir sollten vielleicht lieber schon mal den Leichenbeschauer holen.«
    »Wirklich eindrucksvoll, Spencer. Du siehst aus wie Mark Aurel«, bemerkte Baxter mit einem Grinsen. Nachdem er eine Stunde im Gras gedöst hatte, wirkte er nun wieder bemerkenswert frisch. »Du sehnst dich nach den Zeiten zurück, als wir uns noch nicht vorstellen konnten, daß wir irgend etwas nicht schaffen würden. Als wir noch nicht glaubten, wir würden je sterben! Als wir noch jung waren.«
    »Ich hab' dich schon gehört, Slate«, ertönte eine schwerfällige Stimme aus dem Dunkel. »Fang also bloß nicht wieder mit diesem tuntigen Gesabble an. Und bilde dir bloß nicht ein,

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