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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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schnell vor den Prüfungsausschuß bringen zu lassen. Und dann alle entlassen.«
    »Sagen … Sie … nicht … immer … Orgie. Und sagen … Sie … auch nicht … Singstunde!«
    »Entschuldigung, Sir.«
    »Das finde ich alles andere als eine gute Idee, Hec.« Lynch lehnte sich in seinem Sessel zurück, lüpfte sein rostfarbenes Toupet und kratzte sich seinen sommersprossigen, gummiartigen Skalp. »Ich finde nicht, daß wir diese Männer feuern sollten.«
    »Aber sie hätten es verdient, Sir.«
    »Sie haben mehr als das verdient, Hec. Diese Dreckskerle haben es verdient, wegen Beihilfe zum Mord im Gefängnis zu verrotten. Am liebsten würde ich sie im Folsom Prison eingebuchtet sehen. Aber, sie könnten unter Umständen Schwierigkeiten machen. Vielleicht erscheinen sie mit ihren Anwälten vor dem Prüfungsausschuß. Und sie könnten die Presse von der Sache in Kenntnis setzen, falls es zu einer Massenentlassung kommt. Besser ausgedrückt, sie könnten uns einen Haufen Scheiße in die Klimaanlage plumpsen lassen.« Chief Lynch wartete auf ein Kichern von seilen Moss'. Als dieses ausblieb, tröstete er sich mit dessen niedrigem IQ. »Jedenfalls«, fuhr er fort, »haben wir nur gegen den einen Beamten, der geschossen hat, stichhaltige Beweise, und viel mehr werden wir meiner Meinung nach kaum machen können. Wir werden die anderen vor den Prüfungsausschuß bringen und sechs Monate vom Dienst suspendieren lassen; aber alles, ohne großes Aufsehen zu erregen. Vielleicht können wir ein paar von ihnen auch genügend einschüchtern, daß sie freiwillig den Abschied nehmen.«
    »Einer von diesen verdammten Psychiatern im General Hospital sagt, der Killer hätte 'ne Meise.«
    »Was wäre vom General Hospital auch schon anderes zu erwarten, Hec? Die taugen doch zu nichts anderem, als die Lahmen und die Arbeitsscheuen auf Kosten der Steuerzahler zu pflegen. Was haben Sie eigentlich mit diesem Trottel von Detektiv vor, der den Officer in besagter Nacht verhört und auf die psychiatrische Station hat bringen lassen?«
    »Zehn Tage frei?«
    »Zwanzig wären besser.«
    »Ich fürchte nur, er könnte sich an die Presse wenden.«
    »Damit haben Sie vermutlich recht«, stimmte ihm Lynch widerwillig zu.
    »Na ja, dann hoffe ich, daß Sie mit uns zufrieden sind, Chief!«
    »Sie haben gute Arbeit geleistet, Hec«, lobte Deputy Chief Lynch. »Aber ich hätte doch gern, daß Sie mal mit Ihrer Sekretärin sprechen. Mir ist zu Ohren gekommen, daß sie letzte Woche zweimal nicht ›Guten Morgen‹ gesagt hat, als mein Adjutant angerufen hat.«
    »Das wird auf keinen Fall noch einmal vorkommen, Chief.«
    »Also dann auf Wiedersehen, Hec.«
    Eine Verletzung der Telefonvorschriften des Los Angeles Police Department konnte Deputy Chief Lynch auf keinen Fall durchgehen lassen. Immerhin hatte er sie selbst verfaßt. Ein Polizeibeamter hatte sich folgendermaßen zu melden: »Guten Morgen (Tag oder Abend), Wilshire-Revier, Commander-Büro, Officer Fernwood am Apparat. Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?« Falls auch nur ein Wort dieser Grußformel ausgelassen wurde, konnte gegen den betreffenden Beamten ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden.
    Es soll einmal einen Fall gegeben haben, in dem ein Beamter der Newton-Street-Wache erst diesen ganzen Sermon heruntergeleiert hatte, bevor er den Anrufer zu Wort kommen ließ, so daß dieser, das Opfer einer Herzattacke, das Bewußtsein verlor, bevor er eine Adresse angeben konnte, zu der man einen Notarztwagen hätte schicken können. Er starb zwanzig Minuten später.
    Deputy Chief Lynch war keineswegs ein Mann, dessen Licht sich leicht unter den Scheffel stellen ließ, da er das beste Schlagwort in der Geschichte seiner Abteilung kreiert hatte. Es handelte sich dabei um die Bezeichnung für einen simplen Plan, nach dem die einzelnen Beamten geographisch so verteilt werden sollten, daß sie ein bestimmtes Gebiet optimal überwachen konnten. Aber falls dieser Plan etwas hermachen sollte, brauchte man dafür auch eine entsprechende Bezeichnung – etwas Kompliziertes, Militärisches und Dramatisches.
    Der Einfall kam Deputy Chief Lynch eines Nachts im Traum, nachdem er im Spätprogramm Befehlsgewalt gesehen hatte. »Territorialer Imperativ!« schrie er im Schlaf auf, so daß seine Frau entsetzt hochschreckte.
    »Aber was soll das bedeuten, Sir?« fragte sein Adjutant am nächsten Morgen.
    »Das ist doch das Tolle daran, Sie Idiot. Es bedeutet, was man eben gerade will, daß es bedeutet«,

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