Die Chronik der Drachenlanze 1 + 2
Überbleibseln menschlicherTorheit dorthin«, befahl der Drache Goldmond und neigte seinen glänzenden schuppigen Kopf zum Schatz unterhalb des Altars.
Goldmond, überwältigt von Drachenangst, bewegte sich nicht. Sie konnte nur noch auf die monströse Kreatur starren und zittern. Sturm durchsuchte mit seinen Augen den Schatz nach den Scheiben von Mishakal und versuchte seine Furcht vor dem Drachen zu bekämpfen. Er hatte nicht geahnt, daß er soviel Angst empfinden konnte. Immer wieder wiederholte er den Ritter-Kodex: »Die Ehre ist mein Leben«, und ihm war bewußt, daß nur der Stolz ihn am Weglaufen hinderte.
Goldmond sah Sturms Hand zittern, sie sah sein Gesicht vor Schweiß glänzen. O Göttin, schrie sie stumm, bitte gib mir Mut! Dann stieß Sturm sie an. Sie mußte irgend etwas sagen. Sie hatte schon zu lange geschwiegen.
»Was wirst du uns für den wundersamen Stab geben?« fragte Goldmond und zwang sich, beherrscht und ruhig zu sprechen, obwohl ihre Kehle ausgedörrt war und ihre Zunge sich geschwollen anfühlte.
Der Drache lachte – es war ein schrilles, häßliches Lachen. »Was ich euch geben werde?« Der Drache schlängelte seinen Kopf herum und starrte Goldmond an. »Nichts! Überhaupt nichts! Ich verhandle nicht mit Dieben. Jedoch.. .« Der Drache schob seinen Kopf zurück, seine roten Augen schlossen sich zu Schlitzen. Spielerisch grub er seine Pranke in Raistlins Fleisch. Der Magier zuckte zusammen, ertrug den Schmerz, ohne einen Ton von sich zu geben. Der Drache nahm die Pranke weg und hielt sie gerade so hoch, daß man das Blut von ihr tröpfeln sah. »Es wäre vorstellbar, daß die Tatsache, daß du den Stab übergibst, dir die Gunst von Lord Verminaard, dem Drachenfürsten, einbringt. Er könnte sogar geneigt sein, Gnade walten zu lassen – er ist ein Kleriker, und die haben seltsame Wertvorstellungen. Aber, daß du es weißt, Dame von Que-Shu, Lord Verminaard braucht deine Freunde nicht. Gib mir jetzt den Stab, und sie werden verschont. Zwinge mich, ihn zu nehmen – und sie werden sterben. Der Magier als erster!«
Goldmond, deren Geist gebrochen schien, sackte geschlagen in sich zusammen. Sturm trat dicht zu ihr und schien sie beruhigen zu wollen.
»Ich habe die Scheiben entdeckt«, flüsterte er. Er griff ihren Arm und spürte, daß sie vor Angst zitterte. »Bist du bereit?« fragte er leise.
Goldmond hob ihren Kopf. Sie war leichenblaß, aber beherrscht und ruhig. Obwohl sie besiegt aussah, sah sie zu Sturm hoch und lächelte. In ihrem Lächeln lagen Frieden und Leid, ähnlich wie das Lächeln der Marmorgöttin. Sie sprach nicht, aber Sturm erkannte die Antwort. Er verbeugte sich unterwürfig.
»Auf daß mein Mut deinem gleich sei«, sagte er. »Ich werde dich nicht enttäuschen.«
»Leb wohl, Ritter. Sag Flußwind...« Goldmond stockte,
blinzelte, als sich ihre Augen mit Tränen füllten. Sie schluckte die Worte hinunter vor Angst, sie könnte es sich anders überlegen, und wandte sich wieder dem Drachen zu, als Mishakals Stimme ihren Geist erfüllte und ihr Gebet beantwortete. Biete den Stab kühn dar! Goldmond, durchdrungen von einer inneren Kraft, hob den blauen Kristallstab.
»Wir werden uns nicht ergeben!« rief sie, ihre Stimme hallte durch die Kammer. Bevor der erstaunte Drache reagieren konnte, schwang die Tochter des Stammeshäuptlings den Stab ein letztes Mal und schlug auf die Pranke, unter der Raistlin lag.
Der Stab gab ein lautes Geräusch von sich, als er mit dem Drachen in Berührung kam – und dann zerbarst er. Ein reines blaues Licht erstrahlte aus dem zerbrochenen Stab. Das Licht wurde immer greller und breitete sich in dezentrischen Wellen aus und überflutete den Drachen.
Khisanth brüllte vor Wut. Der Drache war schwer, tödlich verletzt. Er peitschte mit seinem Schwanz um sich, warf seinen Kopf herum und versuchte, der brennenden blauen Flamme zu entkommen. Er wollte nichts mehr, nur noch jene töten, die es gewagt hatten, solchen Schmerz zu entfachen, aber das intensive blaue Feuer verzehrte ihn schonungslos – so wie es Goldmond verzehrte.
Die Tochter des Stammeshäuptlings hatte den Stab nicht fallengelassen, als er zerbrach. Sie hielt das Endstück fest, beobachtete, wie sich das Licht ausbreitete, und hielt es so nahe wie möglich an den Drachen. Als das blaue Licht ihre Hände berührte, fühlte sie einen intensiven Schmerz. Sie stolperte und fiel auf die Knie, hielt aber immer noch den Stabgriff umklammert. Sie hörte den Drachen über
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