Die Chronik der Drachenlanze 1 + 2
dem Bauch des Magiers ruhen. Mit großer Anstrengung hob Raistlin seinen Kopf und sah seinen Bruder mit seinen seltsamen goldenen Augen an. Er machte eine schwache Handbewegung, und Caramon blieb stehen.Tanis sah eine Bewegung auf dem Boden unterhalb des Altars. Es war Bupu, in den Reichtümern zusammengekauert, zu ängstlich, um zu wimmern. Der Stab des Magus lag neben ihr.
»Komm nur noch einen Schritt näher, und ich werde diesen Menschen auf dem Altar mit meiner Pranke zerquetschen.«
Caramons Gesicht rötete sich. »Laß ihn gehen!« schrie er. »Kämpfe mit mir.«
»Ich werde mit keinem von euch kämpfen«, sagte der Drache und bewegte lässig seine Flügel. Raistlin fuhr zusammen, als sich die Pranke des Drachen leicht und neckend in sein Fleisch grub. Die metallische Haut des Magiers glänzte vor Schweiß. Er versuchte Atem zu holen. »Rühr dich nicht, Magier«, schnarrte der Drache. »Wir sprechen die gleiche Sprache, erinnerst du dich? Ein Zauberwort, und deine Freunde werden zum Leichenfutter für Gossenzwerge!«
Raistlin schloß die Augen, als wäre er erschöpft. Aber Tanis konnte sehen, wie sich die Hände des Magiers zusammenkrampften und wieder lösten, und er wußte, daß sich Raistlin auf seinen letzten Zauber vorbereitete. Er würde wahrhaftig sein letzter sein – denn sobald er ihn aussprechen würde, würde der Drache ihn töten. Aber er würde Flußwind die Chance geben, die Scheiben an sich zu reißen und mit Goldmond zu fliehen. Tanis schob sich neben den Barbaren.
»So wie ich schon sagte«, fuhr der Drache fort, »werde ich mit keinem von euch kämpfen.Wie ihr bisher meinem Zorn widerstanden habt, verstehe ich nicht. Jetzt seid ihr hier. Und ihr bringt mir das zurück, was mir gestohlen wurde. Ja, meine
Dame aus Que-Shu, ich sehe, du hältst den blauen Kristallstab in deiner Hand. Gib ihn mir.«
Tanis zischte ihr zu: »Halte ihn hin!« Aber als er in ihr kaltes Marmorgesicht sah, fragte er sich, ob sie ihn gehört hatte, ob sie den Drachen überhaupt gehört hatte. Sie schien anderen Worten, anderen Stimmen zu lauschen.
»Gehorche mir.« Der Drache senkte drohend seinen Kopf. »Gehorche mir, oder der Magier wird sterben. Und danach – der Ritter. Und dann der Halb-Elf. Und so weiter – einer nach dem anderen, bis du, Dame von Que-Shu, die einzige Überlebende bist. Dann wirst du mir den Stab geben und um Gnade flehen.«
Goldmond verbeugte sich unterwürfig. Dann schob sie Flußwind sanft mit ihrer Hand zur Seite und wandte sich zu Tanis und umarmte ihn. »Lebewohl, mein Freund«, sagte sie laut und legte ihre Wange an seine. Ihre Stimme wurde zu einem Wispern. »Ich weiß, was ich zu tun habe. Ich werde mit dem Stab zum Drachen gehen und...«
»Nein!« sagte Tanis heftig. »Das alles hat keinen Sinn mehr. Der Drache wird uns alle töten.«
»Hör mir zu!« Goldmonds Fingernägel bohrten sich in Tanis’ Arm. »Bleib bei Flußwind,Tanis. Er darf mich nicht aufhalten.«
»Und wenn ich versuche, dich aufzuhalten?« fragte Tanis leise und hielt Goldmond noch enger an sich.
»Das wirst du nicht«, sagte sie mit einem süßen, traurigen Lächeln. »Du weißt, daß jeder von uns sein Schicksal zu erfüllen hat – wie der Herr der Wälder sagte. Flußwind wird dich brauchen. Lebwohl, mein Freund.«
Goldmond trat zurück, ihre klaren blauen Augen hefteten sich auf Flußwind, als ob sie jede Einzelheit für alle Ewigkeit in sich aufnehmen wollte. Als ihm klar wurde, daß sie sich verabschiedete, wollte er zu ihr treten.
»Flußwind«, sagte Tanis leise. »Vertraue ihr. Sie hat dir die ganzen Jahre über vertraut. Sie hat gewartet, während du deine Dinge ausgefochten hast. Jetzt mußt du warten. Es ist ihre Schlacht.«
Flußwind bebte, dann stand er still da. Tanis konnte sehen, wie die Adern an seinem Hals anschwollen und die Kiefermuskeln sich verkrampften. Der Halb-Elf kniff ihm in den Arm, doch der Barbar sah ihn nicht einmal an. Seine Augen hingen wie gebannt an Goldmond.
»Was soll diese Verzögerung?« fragte der Drache. »Es wird langweilig. Komm schon.«
Goldmond wandte sich von Flußwind ab. Sie ging an Flint und Tolpan vorbei. Der Zwerg senkte seinen Kopf.Tolpan beobachtete sie mit erschrockenen Augen. Irgendwie war das nicht so aufregend, wie er es sich vorgestellt hatte. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte sich der Kender klein und hilflos und einsam. Es war ein entsetzlich unangenehmes Gefühl, und er dachte, daß der Tod dem vorzuziehen war.
Goldmond blieb
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