Die Chronik der Drachenlanze 3 + 4
waren auf Silvara gerichtet.
Sie war jetzt ruhig, mit sich im Frieden. Obwohl ihr Gesicht traurig war, war es doch nicht die zerquälte, bittere Traurigkeit, die sie zuvor gesehen hatten. Es war die Traurigkeit, zu verlieren, die ruhige, akzeptierende Traurigkeit einer Person, die nichts zu bedauern hat. Silvara ging auf Gilthanas zu. Sie nahm seine Hände und sah ihn mit so viel Liebe an, daß Gilthanas sich
gesegnet fühlte, obwohl er wußte, daß sie sich von ihm verabschieden würde.
»Ich verliere dich, Silvara«, murmelte er gebrochen. »Ich sehe es in deinen Augen. Aber ich verstehe den Grund nicht! Du liebst mich...«
»Ich liebe dich, Elfenlord«, sagte Silvara leise. »Ich liebe dich, seitdem ich dich verwundet auf dem Sand liegen sah. Als du aufgesehen und mich angelächelt hast, wußte ich, daß das Schicksal meiner Schwester auch meines sein würde.« Sie seufzte. »Aber es ist ein Risiko, wenn wir uns für diese Gestalt entscheiden. Denn obwohl wir unsere Stärke mit einbringen, so führt diese Gestalt zu Schwächen. Oder ist es keine Schwäche, zu lieben...?«
»Silvara, ich verstehe nicht!« schrie Gilthanas.
»Das wirst du«, versprach sie mit leiser Stimme. Sie senkte ihren Kopf.
Gilthanas nahm sie in seine Arme und hielt sie fest. Sie vergrub ihr Gesicht an seiner Brust. Er küßte ihr wunderschönes Silberhaar, dann umklammerte er sie mit einem Schluchzen.
Laurana drehte sich um. Diese Trauer erschien ihr zu heilig, um sie mit ihren Augen zu stören. Sie schluckte ihre Tränen hinunter, sah sich um und erinnerte sich an den Zwerg. Mit Wasser aus seinem Wasserschlauch besprenkelte sie Flints Gesicht.
Seine Augenlider flatterten, dann öffneten sie sich. Der Zwerg starrte Laurana einen Moment an, dann streckte er eine zitternde Hand aus.
»Fizban!« flüsterte der Zwerg heiser.
»Ich weiß«, sagte Laurana und fragte sich, wie der Zwerg die Neuigkeiten über Tolpans Weggang aufnehmen würde.
»Fizban ist tot !« keuchte Flint. »Tolpan sagte das! In einem Haufen von Hühnerfedern!« Der Zwerg versuchte sich aufzusetzen. »Wo ist dieser hohlköpfige Kender?«
»Er ist gegangen, Flint«, sagte Laurana. »Er ist mit Fizban weggegangen.«
»Gegangen?« Der Zwerg sah sich sprachlos um. »Du hast ihn gehen lassen? Mit dem alten Mann?«
»Leider...«
»Du hast ihn mit einem toten alten Mann gehen lassen?«
»Mir blieb nicht viel anderes übrig.« Laurana lächelte. »Es war seine Entscheidung. Es geht ihm gut...«
»Wo sind sie hingegangen?« Flint erhob sich und schulterte sein Gepäck.
»Du kannst ihnen nicht folgen«, sagte Laurana. »Bitte, Flint.« Sie legte ihren Arm um die Schultern des Zwerges. »Ich brauche dich. Du bistTanis’ ältester Freund, mein Ratgeber...«
»Aber er ist ohne mich gegangen«, sagte Flint klagend. »Wie konnte er einfach gehen? Ich habe ihn nicht weggehen sehen.«
»Du bist ohnmächtig geworden...«
»So etwas passiert mir nicht!« brüllte der Zwerg.
»Es – es hat dich umgehauen«, stammelte Laurana.
»Ich werde nie ohnmächtig!« stellte der Zwerg beleidigt klar. »Es muß ein Rückfall dieser tödlichen Krankheit gewesen sein, die ich mir an Bord des Bootes...« Flint ließ sein Gepäck fallen und sich daneben. »Dummer Kender. Rennt mit einem toten alten Mann davon.«
Theros gesellte sich zu Laurana und zog sie beiseite. »Wer war dieser alte Mann?« fragte er neugierig.
»Das ist eine lange Geschichte.« Laurana seufzte. »Und ich bin mir nicht sicher, ob ich die Frage überhaupt beantworten könnte.«
»Er kommt mir bekannt vor.« Theros runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Aber ich kann mich nicht erinnern, wo ich ihn gesehen habe, obwohl es mich an Solace und an das Wirtshaus Zur letzten Bleibe denken läßt. Und er kannte mich...« Der Schmied starrte auf seine silberne Hand. »Ich spürte einen Schock, als er mich ansah, wie ein Blitz, der in einen Baum einschlägt.«
Der große Schmied erzitterte, dann blickte er zu Silvara und Gilthanas. »Und was ist damit?«
»Ich denke, wir werden es endlich erfahren«, sagte Laurana.
»Du hattest recht«, sagte Theros. »Du hast ihr nicht vertraut...«
»Aber nicht aus den richtigen Gründen«, gab Laurana schuldbewußt zu.
Mit einem Seufzer löste sich Silvara aus Gilthanas’ Umarmung. Der Elfenlord ließ sie nur widerstrebend los.
»Gilthanas«, sagte sie, nachdem sie zitternd Atem geholt hatte, »nimm eine Fackel von der Wand und halte sie vor mich.«
Gilthanas zögerte.
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