Die Chronik der Drachenlanze 3 + 4
hielt seinen Stab umklammert, flüsterte leise und malte ein merkwürdiges Zeichen in die Luft.
Laurana öffnete ihre Augen. Sie lag auf einer kalten Steinbank und starrte auf die schwarze, glänzende Decke. Sie hatte keine Vorstellung, wo sie sich befand. Dann kehrte die Erinnerung zurück. Silvara!
Sie setzte sich schnell auf und warf einen Blick durch den Raum. Flint stöhnte und rieb sich den Nacken. Theros blinzelte und sah sich verwirrt um. Gilthanas, bereits auf den Füßen, stand am Fußende von HumasTotenbahre und starrte auf etwas an der Tür. Als Laurana zu ihm ging, wandte er sich um. Er legte seinen Finger auf seine Lippen und zeigte zur Tür.
Dort saß Silvara und weinte bitterlich.
Laurana zögerte, die wütenden Worte, die sie auf der Zunge hatte, erstarben ihr. Das war sicherlich nicht das, was sie erwartet hatte. Was hatte sie dann erwartet?, fragte sie sich. Höchstwahrscheinlich nie mehr wach zu werden. Es mußte eine Erklärung geben. Sie ging nach vorn.
»Silvara . . .«, begann sie.
Das Mädchen sprang auf, ihr verweintes Gesicht war blaß vor Angst.
»Wieso seid ihr wach?Wie habt ihr euch von meinem Zauber befreien können?« keuchte sie und taumelte gegen die Wand.
»Mach dir darüber keine Gedanken!« antwortete Laurana, obwohl sie es selbst nicht wußte. »Sag uns . . .«
»Es war mein Ibn!« verkündete eine tiefe Stimme. Laurana und die anderen drehten sich um und sahen einen weißbärtigen alten Mann in mausgrauen Gewändern feierlich aus dem Loch im Boden emporsteigen.
»Fizban!« flüsterte Laurana ungläubig.
Es klirrte und schepperte. Flint war ohnmächtig zu Boden gestürzt. Niemand sah nach ihm. Sie starrten einfach nur ehrfürchtig den alten Magier an. Dann warf sich Silvara flach auf den kalten Steinboden und zitterte und wimmerte.
Fizban ignorierte die Blicke der anderen und ging zu Silvara. Hinter ihm krabbelte Tolpan aus dem Loch.
»Seht mal, wen ich gefunden habe«, sagte der Kender stolz. »Fizban! Und ich bin geflogen, Laurana. Ich sprang in das Loch und flog dann direkt nach oben. Und da ist ein Gemälde mit goldenen Drachen, und dann setzte sich Fizban auf und schrie mich an und – ich muß zugeben, eine Zeitlang war ich ganz schön durcheinander. Meine Stimme war weg und. . . Was ist mit Flint passiert?«
»Pssst, Tolpan«, sagte Laurana, ihre Augen waren auf Fizban gerichtet. Er kniete neben der Wild-Elfe und schüttelte sie.
»Silvara, was hast du getan?« fragte Fizban streng.
Laurana dachte in diesem Moment, daß sie sich vielleicht geirrt hätte – daß es ein anderer alter Mann in den Kleidern des alten Magiers sei. Dieser ernste, mächtig wirkende Mann war sicherlich nicht der verwirrte alte Magier, an den sie sich erinnerte. Aber nein, sie kannte das Gesicht von irgendwoher, um nicht zu sagen, den Hut.
Als sie die beiden – Silvara und Fizban – beobachtete, spürte Laurana eine große und furchteinflößende Macht, wie ein stummes Gewitter, das zwischen den beiden anstieg. Sie hatte das schreckliche Verlangen, von diesem Ort wegzurennen und weiterzurennen, bis sie vor Erschöpfung umfallen würde. Aber sie konnte sich nicht bewegen. Sie konnte nur starren.
»Was hast du getan, Silvara?« wiederholte Fizban. »Du hast deinen Eid gebrochen!«
»Nein!« Das Mädchen krümmte sich stöhnend vor den Knien des alten Magiers. »Nein, habe ich nicht. Noch nicht...«
»Du bist in der Welt in einem anderen Körper herumgelaufen, hast dich in die Angelegenheiten der Menschen gemischt. Das allein reicht schon aus.Aber du hast sie hierher gebracht!«
Silvaras verweintes Gesicht war vor Qual verzerrt. Laurana spürte ihre eigenen Tränen über ihre Wangen laufen.
»Na schön!« schrie Silvara trotzig. »Ich habe meinen Eid gebrochen, zumindest hatte ich die Absicht. Ich habe sie hierhergebracht. Ich mußte es! Ich habe das Elend und das Leiden gesehen. Außerdem«, ihre Stimme versagte, ihre Augen starrten in die Ferne, »hatten sie eine Kugel...«
»Ja«, sagte Fizban leise. »Eine Kugel der Drachen. Aus dem Schloß von Eismauer. Sie fiel in deinen Besitz.Was hast du damit gemacht, Silvara?Wo ist sie jetzt?«
»Ich habe sie weggeschickt . . .«, sagte Silvara kaum hörbar.
Fizban schien zu altern. Sein Gesicht wurde müde. Er seufzte tief und stützte sich schwer auf seinen Stab. »Wohin hast du sie geschickt, Silvara?Wo ist die Kugel der Drachen jetzt?«
»St-Sturm hat sie«, unterbrach ihn Laurana ängstlich. »Er bringt sie nach
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