Die Chronik der Drachenlanze 5 + 6
Unnötig zu sagen, daß kein Sterblicher jemals hinter diese eisernen Gitterstäbe getreten war.
Die Königin war noch nicht erschienen. Er war darüber nicht überrascht. Diese Eröffnungsrituale waren unter ihrer Würde. Ariakus zog sich wieder in seinen Thron zurück. Sein Blick wanderte vom Thron der Dunklen Königin zu dem der Finsteren Herrin. Kitiara war hier, natürlich. Das war der Augenblick ihres Triumphes – so dachte sie jedenfalls. Ariakus verfluchte sie flüsternd.
»Laß sie ihr Schlimmstes anrichten«, murmelte er, nur halb lauschend, als der Feldwebel den Rang von Lord Toede noch einmal wiederholte. »Ich bin vorbereitet...«
Ariakus bemerkte plötzlich, daß etwas fehlte. Was? Was war passiert? Seinen Gedanken nachhängend, hatte er dem Zeremoniell keine Aufmerksamkeit geschenkt. Was war falsch? Schweigen...ein fürchterliches Schweigen folgte...Was...? Er versuchte sich zu erinnern, was gerade gesagt worden war. Dann fiel es ihm ein, und er starrte grimmig auf den zweiten Thron zu seiner Linken. Die Soldaten in der Halle, überwiegend Drakonier, hoben und senkten sich unter ihm wie ein Meer des Todes, als sich alle Augen zu diesem Thron bewegten.
Obwohl die Drakoniersoldaten aus Lord Toedes Kommando anwesend waren und sich ihre Banner mit den Bannern der anderen Drakonier vermischten, war der Thron selbst leer.
Tanis, der auf den Stufen zu Kitiaras Plattform stand, folgte Ariakus’ strengem und kaltem Blick. Der Halb-Elf spitzte seine Ohren bei dem Namen Toede. Ein Bild des Hobgoblins tauchte vor ihm auf, so wie er ihn im Staub auf der Straße nach Solace gesehen hatte. Das Bild brachte Erinnerungen an jenen warmen
Herbsttag zurück, der der Beginn seiner langen, dunklen Reise gewesen war. Es brachte Erinnerungen an Flint und Sturm zurück...Tanis biß die Zähne zusammen und zwang sich, seine Konzentration auf die Geschehnisse zu lenken. Die Vergangenheit war vorüber und – so hoffte er fieberhaft – auch bald vergessen.
»Lord Toede?« wiederholte Ariakus wütend. Die Soldaten in der Halle murmelten untereinander. Niemals zuvor hatte ein Fürst den Befehl mißachtet und nicht an dem Kriegsrat teilgenommen.
Ein menschlicher Offizier der Drachenarmee stieg die Stufen zu der leeren Plattform hoch.Auf der letzten Stufe blieb er stehen (das Protokoll verbot ihm, höher zu gehen), stammelte einen Moment voller Angst, als er jene schwarzen Augen und – noch schlimmer – in die düstere Nische über Ariakus’ Thron sah. Dann holte er tief Luft und begann mit seinem Bericht.
»Ich...ich bedaure, Ihrer Lordschaft und Ihrer D ...Dunklen Majestät mitteilen zu müssen«, ein nervöser Blick zu der Nische, die offenbar immer noch leer war, »daß Drachenfürst To ...Toede ein unglückliches und unpassendes Ableben beschieden wurde.«
Tanis, der auf der obersten Stufe zur Plattform stand, wo Kitiara in ihrem Thron saß, hörte ein abfälliges Schnaufen unter Kits Drachenhelm. Ein amüsiertes Kichern fuhr durch die Menge, während die Offiziere der Drachenarmee wissende Blicke austauschten.
Lord Ariakus war jedoch alles andere als belustigt. »Wer hat es gewagt, einen Drachenfürsten zu töten«, fragte er zornig, und beim Klang seiner Stimme und im Begreifen der schlimmen Bedeutung seiner Worte fiel die Menge in Schweigen.
»Es war in K ...Kenderheim, mein Fürst«, erwiderte der Offizier, und seine Stimme hallte in der riesigen Marmorhalle wider. Der Offizier verstummte. Selbst aus der Entfernung konnte Tanis sehen, wie der Mann seine Faust nervös öffnete und wieder schloß. Offensichtlich hatte er noch mehr schlechte Neuigkeiten mitzuteilen und zögerte, fortzufahren.
Ariakus sah den Offizier finster an. Der Mann räusperte sich und sprach weiter.
»Ich bedaure, berichten zu müssen, mein Fürst, daß Kenderheim verl ...« Einen Moment lang versagte die Stimme des Mannes völlig. Nur mit äußerster Kraftanstrengung gelang es ihm, den Satz zu beenden. »... verloren ist.«
»Verloren!« wiederholte Ariakus mit einer Stimme, die ein Donner gewesen sein könnte.
Offenbar wurde der Offizier von seiner Angst fast erschlagen. Zurückschreckend stammelte er einen Moment zusammenhanglos weiter, dann – offenbar entschlossen, die Sache hinter sich zu bringen, keuchte er hervor: »Drachenfürst Toede wurde von einem Kender namens Kronin Distelknot auf abscheuliche Weise umgebracht und seine Soldaten vertrieben ...«
Ein tiefes Murmeln ging jetzt durch die Menge, zorniges und
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