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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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in mir aufzusteigen. „ Wer? Wer wird uns nicht sehen? Wohin ist es nicht mehr weit? “
    Dann sah ich es. Umringt von einer ganzen Handvoll in den geschmolzenen Boden geschnittener Siegel erhob sich ein unscheinbares Podest aus der Ebene. Ich konnte erkennen, dass sich dort bereits drei Gestalten aufhielten, bei denen es sich nur um Kern und die anderen handeln konnte. Kern stand inmitten des Podests und sah irgendwie weniger substanziell aus als Chulak und Sarn. Noch während ich mich fragte, ob ich einer Sinnestäuschung erlegen war, verschwand er ganz, obwohl Chulak und Sarn seine Arme gepackt gehalten hatten. Ich hörte den verzweifelten Schrei, den Kerns Dämon ausstieß und sah wie sich die Hürnin die Hände auf die Ohren pressten. Nur Erich lief unbeirrt weiter.
    Voller Angst, dass auch mein Herr sich in Nichts auflösen könne, versuchte ich ein weiteres Mal seinen Körper unter meine Kontrolle zu bringen, aber diesmal wurde ich mit solcher Macht fort geschleudert, dass ich mich einige Augenblicke nicht bewegen konnte. Eine solche Macht hatte ich noch nie zuvor gespürt.
    Ich glaube ich schaffte es noch Sarn und die anderen auf Erich aufmerksam zu machen, aber auch sie konnten ihn nicht aufhalten. Wie Wasser glitt er durch sie hindurch. Er trat auf das Podest und die Welt verschwand. Anders als bei Kern war nicht er es, der sich auflöste, sondern die dunkle Ebene und selbst die Sterne. Wie in einem Strudel bewegten sich Farben um uns herum und kamen schließlich widerwillig zur Ruhe. Ich schrie in Verzweiflung auf.
     
    Und dann … war ich zu Hause!
    Ich erkannte es am Rot des Himmels, an den geflügelten Wächtern, die dort ihre Kreise zogen und an meinen eigenen mächtigen Schwingen. Obwohl ich zutiefst verwirrt war, lachte ich vor lauter Freude und Überraschung laut auf.
    Ich war zu Hause! Erst nachdem ich dieses Gefühl einige Sekunden für mich allein genossen hatte, schaute ich mich nach Kern und Erich um. Zuerst bemerkte ich Kerns Dämon, der wie ein kleines Tier zusammengekauert auf der aschebedeckten Erde hockte. Seine Haut war weiß wie die eines Höhlenfisches und an manchen Stellen so dünn, dass ich darunter Knochen und Muskeln sehen konnte. Er erinnerte mich an die Raupen, die er von den Apfelbäumen in Hornhus ferngehalten hatte. Nur seine fiebrig glänzenden Augen waren schwarz wie Kohlen und zuckten ruhelos von einer Seite auf die andere. Auch er besaß Flügel, die aber schlaff und wie nutzlose Anhängsel an seiner Seite herunter hingen. Und dann sah ich Erich und Kern. Es fehlte nicht viel, dass ich sie nicht erkannt hätte und vor ihnen geflohen wäre, denn sie waren das Schrecklichste, was ich je gesehen habe.
    Einige Schritte von mir entfernt standen nicht die verletzlichen Hürnin, die ich kannte, sondern gedrungene Kolosse, die nur aus Panzerplatten und tödlichen Dornen mit Widerhaken zu bestehen schienen, die beständig mit leisem Knirschen und Reiben ihre Größe und Position änderten. Zusammengehalten wurden sie von brennendem Blut, das wie Sehnen zwischen ihren Panzerplatten hing. Glut und Flammen flackerten in den Spalten, jedoch am gewaltigsten war die weiß glühende Lohe, die aus ihren Augen drang.
    Sie sahen mich an und ich war unfähig mich zu bewegen.
    „ Icher, hab keine Angst. “, sagte Kern, aber ich war nicht in der Lage das Zittern meiner Glieder unter Kontrolle zu bekommen. Auch meine Stimme konnte ich nicht finden. Ich konnte nur dastehen und die Flammenwesen anstarren, die zuvor Kern und Erich gewesen waren.
    Sie schienen auf etwas zu warten und tatsächlich tauchte nach kurzer Zeit am rauchenden Horizont ein Punkt auf, der rasch größer wurde. Mit gewaltigen Sprüngen näherte sich ein weiterer Flammenkoloss auf einem Reittier, das ich mit Entsetzen als einen grotesk verzerrten Horndämon identifizierte, der von der Glut seines Herrn vorwärts getrieben wurde. Arme und Beine waren vielfach gebrochen und endeten in hufartigen Klumpen, die ohne Unterlass eine klebrige, schwarze Flüssigkeit absonderten. Auch die Flügel waren zu Beinen umfunktioniert worden, so dass der Horndämon wie eine galoppierende Ameise über die Ebene raste. Erst kurz vor uns machten Ross und Reiter halt. Kerns Dämon hatte sich wimmernd in die Asche geworfen und bedeckte seinen Kopf mit den Armen und dem, was von seinen Flügeln übrig war.
    Der Neuankömmling sprang von seinem Reittier ab und die Erde erzitterte. Es kam mir so vor als ob die ganze Welt sich vor ihm weg ducken

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