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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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waren unwillkürlich stehen geblieben und Sirr kam als erste auf den Gedanken, dass der Platz zwischen zwei Armeen, die in Kürze eine blutige Schlacht austragen würden, nicht der beste Ort zum Verweilen war, auch wenn es sich um bloße Geisterarmeen handelte. Auf dem Sommerfeld sollte man sich nicht darauf verlassen, dass das auch so blieb und die Schatten der Vergangenheit ungefährlich waren. So gingen wir eilig mit offenen Augen und wachsender Beklemmung in der Brust mitten durch den Schildwall hindurch. Erich zuckte zusammen, als er zwischen zwei Schildträgern ankam, denn sobald er den, der noch lebte, durchdrang, konnte er nicht nur kurz die Geräusche von aneinander reibenden Schilden und schnaufenden Männern hören, er bekam auch das mit, was der Mann dachte und fühlte. Wenn auch undeutlich waren die Emotionen des Mannes stark genug, um Erich eine Gänsehaut den Rücken hoch zu jagen. Von da an vermied er es einen der Lebenden zu berühren, schritt aber ohne mit der Wimper zu zucken durch die Abbilder der Toten. Sie hatten ihm nichts mehr mitzuteilen außer vielleicht, dass es manchmal besser war schon alles hinter sich zu haben.
    Plötzlich fiel ein Schatten über das Schlachtfeld.
    Als wir uns umschauten, sahen wir einen einzelnen Reiter, der unbewaffnet und mit einer hoch aufragenden Standarte in seinen Händen von drüben über das Schlachtfeld ritt. Was er sagte war nicht zu hören, aber es war auch so klar, dass er die Armee aufforderte sich zu ergeben. Ein gut gezielter Armbrustbolzen hinderte ihn daran zu seinen Leuten zurückzukehren. Er rutschte seitlich vom Pferd und blieb in einem Steigbügel hängen.
    Eine andere Armee hätte dieser Anblick zu einem zynischen Jubel bewogen, aber nicht diese Armee hier. Die Männer waren nicht hier um zu jubeln, das wussten sie. Sie waren hier um zu sterben und zuvor noch möglichst viele Feinde zu töten. Der Reiter war einer weniger, um den sie sich sorgen mussten und das Pferd eines mehr, das man reiten konnte. Auf der Stelle sprang einer der Verteidiger über den Schildwall und bemächtigte sich kaltblütig des gegnerischen Streitrosses, um auf ihm den Angriff zu erwarten.
    Für die Gegenseite hingegen war der Tod ihres Boten das Zeichen zur Attacke. Die lange Reihe von Männern rückte geordnet ohne Eile vor und wir konnten erkennen, dass zwischen der Reiterei im Zentrum weitere Männer platziert waren, die nach kurzer Zeit zu laufen begannen um eine Position vor den anderen einzunehmen. Es handelte sich bei ihnen um Bogenschützen, die bereits einen Pfeil auf die Sehnen gelegt hatten. Aber auch die Verteidiger blieben nicht untätig. Über die Schilde hinweg legten Schützen ihre Armbrüste an und feuerten auf die heraneilenden Soldaten, bevor diese ihre Pfeile abschießen konnten. Noch während die einen getroffen niedersanken und die anderen ihre Pfeile in einem sanft geschwungenen Bogen in den Himmel schickten, wurden die Armbrüste beiseite geworfen und andere aufgehoben, die geladen und fertig gespannt neben ihnen bereitlagen. Der nun herunterprasselnde Pfeilhagel ging wie ein Regenschauer auf die Verteidiger nieder, streckte einige Männer zu Boden, bohrte sich andernorts in emporgehobene Schilde oder blieb wirkungslos in der Erde oder den Leichen stecken. Ein zweites Mal feuerten die Armbrüste und die Bogenschützen spannten erneut während der Rest des Heeres weiter vorrückte. Die gut gezielten Bolzen hatten einen hohen Blutzoll von ihnen gefordert und die verblieben Männer wollten so schnell wie möglich wieder aus der Schussbahn kommen. Ihre zweite Salve verteilte sich viel weiter in alle Richtungen. Sie war bei weitem nicht so wirkungsvoll wie die erste und ein Zeichen dafür, dass die Angreifer Angst hatten.
    Während sie sich und ihre verletzen Kameraden in Sicherheit brachten und die Reiterei mit sinkenden Lanzen ihren Angriff begann, teilten sich die Reihen des Schildwalls auf Seiten der Verteidiger und die Armbrustschützen traten hinaus. Sie feuerten ein letztes Mal auf die anstürmenden Reiter und tauschten ihre Armbrüste dann gegen langstielige Äxte mit denen sie sich ein gutes Stück vor dem Schildwall auf das Schlachtfeld stellten. Dass das gesamte gegnerische Heer angaloppiert kam, schien sie dabei nicht im Geringsten zu ängstigen. Einige von ihnen lachten sogar und riefen sich gegenseitig Ermutigungen zu. Ich fragte mich, was diese Art Selbstmord zu begehen bewirken sollte und sah fasziniert zu, was passierte, als die Reihe

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