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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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Spuren, die von menschenähnlichen Wesen stammen mussten und alles was auf dem Sommerfeld nach einem Menschen aussah, war potentiell gefährlich.
    Noch einmal wurden wir Zeuge einer Schlacht, die aber ganz anders ablief als die erste. Eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von Hürnin überfiel ein Heerlager und machte die Soldaten darin, die sie größtenteils im Schlaf überraschten, allesamt nieder. Danach rafften die Hürnin alles an Ausrüstung zusammen, was sie auf Maultiere, Pferde und ihre eigenen Rücken verteilen konnten und machten sich aus dem Staub. Offensichtlich hatten sie genug vom Kämpfen und Erich fragte sich, ob es sich bei ihnen um die Vorfahren der Waldbewohner handeln könnte und wenn nicht, was wohl aus diesen Männern und Frauen geworden war.
    Einen halben Tag später stolperten wir dann ohne Vorwarnung über die innere Schneise, die Wehe genannt wurde aus dem Gebiet des Sommerfelds hinaus. Vor ihr hatte sich der Nebel noch einmal zusammengeballt wie an einer unsichtbaren Wand, aber das Gebiet dahinter war trocken. Einige Büsche hatten dort Fuß gefasst, aber sie fristeten ein karges Dasein. Weiter im Süden konnten wir sehen, wie das Buschland in spärlichen Wald überging, über dessen Wipfeln einzelne Raubvögel im Licht der untergehenden Sonne kreisten. Staunend wischten sie Hürnin sich die Augen ganz so als wären sie gerade aus einem Traum erwacht und könnten immer noch nicht recht glauben, was um sie herum vor sich ging. Da keiner von ihnen Lust dazu hatte eine weitere Nacht so nahe am Sommerfeld zu verbringen, beschlossen sie weiterzugehen, bis sie auch die zweite Schneise überqueren würden, die nicht mehr weit entfernt sein konnte.
    Aber auch noch nach Stunden war nichts von ihr zu sehen.
    „Es sind keine konzentrischen Kreise.“, vermutete Sarn. „Das würde Sinn machen. Im Süden ist das Land bewohnt, dort ist es besser eine größere Distanz zum Sommerfeld zu schaffen. Lasst uns hier rasten. Es wird bald dunkel.“
    Sirr widersprach ihm. „Es ist besser, wenn wir weitergehen. Noch ist die Sonne nicht ganz untergegangen. Dort im Südwesten ist ein Wäldchen. Dort werden wir Schutz für die Nacht finden.“
    Und so gingen die Hürnin in die angegebene Richtung und stießen schon bald auf einen Hügel, der dicht mit Bäumen bestanden war. Um den Hügel lag frisch aufgeworfene Erde so als hätte sich hier eine Armee von Maulwürfen ausgetobt. Doch wer gehofft hatte, das sanfte Rauschen von Blättern zu hören, wurde enttäuscht.
    Die Bäume trugen lange schon kein Laub mehr und waren so dick mit Spinnweben umhüllt, dass sie eher aussahen wie übergroße Baumwolle als wie die Birken, die sie eigentlich waren. Und die Bewegungen in den Spinnweben waren nur eine Parodie auf das Spiel des Winds im Laub.
    „Gemütlich.“, brummte der Halken. „Den nächsten Schlafplatz wird der Halken aussuchen.“
    Sirr achtete nicht auf seine Beschwerde. Sie legte ihre Tasche ab und ging ein paar Schritte auf den Hügel zu. Steil aufragende Steine ragten um das Gehölz auf wie Zähne und die Spinnweben wiegten sich wie in einer sanften Brise.
    „Bleibt hier. Ich muss mir das ansehen.“, sagte sie.
    „ Der Wind ... Die Spinnweben.“, flüsterte Erich plötzlich. „Es weht überhaupt kein Wind.“
    Sarn und der Halken zuckten alarmiert zusammen.
    „Sirr, komm zurück, es …“, Sarn konnte seine Warnung nicht beenden, denn sie ging im ohrenbetäubenden Knirschen und Reiben von Stein auf Stein unter. Wie eine Mauer schoben sich um den Hügel herum weitere Felsplatten durch die aufgewühlte Erde und schlossen Sirr in ihrer Mitte ein. Spinnweben flogen wie von Fischern ausgeworfene Netze und der ganze Wald begann zum Leben zu erwachen.
    Ich konnte sehen, wie Sirr versuchte die Felsen zu überwinden, aber an den Spinnweben scheiterte. Dann tauchte sie noch einmal flink wie eine Katze einen der Birkenstämme hinauf kletternd für wenige Augenblicke wieder auf, wurde aber von den Spinnweben wieder zurück nach unten gezogen.
    Sirr schrie, wie ich noch nie ein Wesen schreien gehört habe, als Äste und Spinnengeflecht wie gierige Hände nach ihr griffen. Es klang wie eine zerspringende Glocke und erstarrtes Gelächter, das man mit einem Beil zerhackt.
    Dann war nur noch das leiser werdende Grollen der Steine und das Splittern von trockenem Holz zu hören. Sarn löste sich als erster aus seiner Erstarrung und rannte los. Er rammte das Heft seines Messers aus dem vollen Lauf heraus gegen einen der

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