Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
Fenster stellten sich nun als große Fluchttüren heraus und was nach Erkern ausgesehen hatte, waren in Wirklichkeit Türme. Um so winziger machten sich darin die Hürnin aus.
„Da vorn ist Rauch.“, sagte Sarn und deutete auf einen Turm im innersten Befestigungsring.
Erich erkannte nicht sofort, was Sarn meinte, was daran lag, dass der Rauch, daran gehindert in den blauen Himmel zu steigen, sich zu einem dicken Kissen gesammelt hatte, das mehr wie schmutzige Watte aussah.
Bevor wir uns auf den Weg machten, um die Quelle des Rauchs zu suchen, kratzte Sarn einen großen Wegweiser in Richtung der Tür, durch die wir tiefer in die Burg hinein gingen und markierte ihn mit seinem Namen. Sollten Sirr und die anderen hier vorbeikommen, wüssten sie damit, dass wir hier lang gegangen waren.
Die Räume, die innerhalb des ersten Verteidigungsrings lagen, waren offensichtlich der Dienerschaft vorbehalten gewesen. Sie waren spärlich möbliert und der Boden mit Stroh bedeckt. Die meisten Fenster, die selten größer waren als Schießscharten, waren mit Tüchern aus grobem Leinen verschlossen. Sie ließen gerade genug Tageslicht herein, um sich orientieren zu können. Andere waren gänzlich mit Holzplatten verbarrikadiert.
Wir erkannten schnell, dass hier niemand mehr wohnte. Zwar standen noch Truhen mit Kleidung bereit und Vorratskrüge voller Wasser, aber in der Küche fanden wir nur noch weiße Asche in der Feuerstelle und der Kanten Brot auf dem Tisch, in dem immer noch ein Messer stecke, war ausgetrocknet wie die Bäche rund um Chonled. Welches Unheil auch immer über Chonled gekommen sein mochte, die meisten seiner Bewohner hatten diesen Ort wohl zuvor verlassen können.
Obwohl das Wasser in den Krügen einen abgestandenen Geschmack hatte, stillten Erich und Sarn damit ihren gröbsten Durst und schauten sich dann nach genießbaren Lebensmitteln um, ohne sich große Hoffnungen zu machen. In einem Tiegel fanden sie etwas staubiges Dörrobst, das sie wuschen und dann darauf herumkauten. Satt wurden sie davon nicht, aber zumindest beruhigte das Obst ihren Magen etwas. Und es schien nicht schlechter zu schmecken als Trockenfleisch.
„Hoffentlich bekommt uns das Obst.“, murmelte Sarn, während sie weitergingen. „Sonst wird es schwierig die Warnung von Ba und Ja zu beherzigen und hier keinen Erker aufzusuchen.“
Erich nickte. Bisher waren ihnen auch noch keine stechenden oder beißenden Insekten begegnet, die ihnen zu Leibe rücken wollten und das Stroh auf dem Boden schien frei von Käfern, Wanzen oder Mäusen. Dennoch gab Erich darauf acht, wohin er seine Füße setzte, um nicht versehentlich auf ein lebendiges Wesen zu treten.
Obwohl Sarn noch nie zuvor in Chonled gewesen sein konnte, schien er genau zu wissen, wo er hin musste. Erich fragte ihn danach.
„ Diese alten Burgen wurden immer nach dem gleichen Prinzip gebaut. Außerhalb der Mauern lebten die Bauern und alle, die nicht direkt mit den Burgherren zu tun hatten, im äußersten Ring waren die Diener untergebracht, im nächsten Ring alle einflussreichen Personen und ganz innen dann der Burgherr mit seiner Familie. Aber von ganz außen nach ganz innen gab es immer direkte Verbindungen, falls der Burgherr fliehen musste oder schnell und unauffällig einen seiner Diener brauchte. Meistens gab es dann auch noch Lausch- und Verteidigungsgänge, um den Feinden von außen und im Inneren auf die Schliche zu kommen. Ah! Hier könnten wir Glück haben.“
Erich betrachtete den schmalen Durchgang, der kaum genug Platz bot, um seine Schultern hindurch zu zwängen mit Argwohn. Er war nicht nur schmal, sondern auch stockdunkel. Erst als Sarn einen Schritt weit hineinging, flackerte in der Ferne ein schwacher Widerschein wie von einer Fackel auf, der aber sofort wieder verschwand. Sarn eilte weiter in den Gang hinein, um sicher zu gehen, dass er sich das Licht nicht nur einbildete und blieb dann abrupt stehen.
„Was ist los?“, wollte Erich wissen, der dicht hinter ihm war.
„ Das ist auch nur ein Echo. Das Licht meine ich. Da vorn ist schon lange niemand mehr. Aber wenigstens sehen wir so, wo wir hinlaufen.“
Im Inneren der Burg änderten sich die Gesetzmäßigkeiten, nach denen der Zauber die Zeit gefangen nahm und wieder freigab, erneut. Wir sahen nicht nur immer deutlicher das Licht von Fackeln und Kerzen, die hier vor langer Zeit vorbeigetragen worden waren, sondern hörten jetzt auch geflüsterte Worte oder laute Befehle. Sarn und Erich hatten Mühe zu
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