Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
jetzt hätte sie aufwachen müssen, aber sie erwachte noch immer nicht. Selbst als er sie untertauchte, schlug sie ihre Augen nicht auf und ihr Körper trieb leblos in den See hinaus.
Ein gewaltiger weißer Schemen schob sich wie ein Blitz aus heiterem Himmel durch die Tiefen, verharrte für eine Sekunde bei Siroco und der Frau, hüllte die Schlafende ein und verschwand dann mit ihr in der Dunkelheit des Sees.
Ein gellender Wutschrei durchbrach das sanfte An- und Abschwellen des Gesangs. Wie der Donner, der unweigerlich auf den Blitz folgt, schrie Sirr oder Amal oder beide zugleich ihre Wut, ihre Frustration und vielleicht auch ihre Angst heraus und schnellte los. Sirocos Frauen stellten sich ihr entgegen, zogen ihre Dolche, doch diesmal war Sirr schneller und härter. Erich konnte sehen, wie einer der Krummdolche den Stoff einer ihrer Ärmel durchtrennte, aber es floss kein Blut und das Geräusch, mit dem die Klinge über Sirrs Haut schrammte, erinnerte an Metall, das auf Stein trifft.
Die Elfe flog Siroco entgegen, der sich zu ihr umgewandt, aber ansonsten nicht von der Stelle gerührt hatte. Wie ein Schwan, der sich in die Lüfte erhob, schien Sirr einige Schritte über die Oberfläche des Sees hinwegzulaufen, bis sie Siroco erreichte und ins Wasser stürzte.
Eine Fontäne spritzte auf und mehrere Schreie waren zu hören. Als der Vorhang aus hochgeschleuderten Tropfen sich wieder öffnete, hatte sich Siroco nicht von der Stelle bewegt, Sirr aber kniete zu seinen Füßen, die Arme verdreht in einem Hebelgriff gefangen und den Kopf kaum eine Handbreit über dem Wasser. Siroco beugte sich über sie um ihr etwas zuzuflüstern, das wir nicht hören konnten. Welche Kraft musste der Mann besitzen, dass er Sirr so einfach besiegen konnte!
Die Elfe hatte die Augen verdreht, so dass nur noch das Weiße in ihnen zu sehen war und Erich hätte schwören können, dass das Wasser auf ihrem Gesicht und in ihren Haaren verdampfte oder aus reiner Angst vor dem Zorn der Hexe das Weite suchte. Siroco stieß sie von sich fort, ohne ihr weiteren Schaden zuzufügen und steckte das Ritualmesser in seinen Gürtel. Sirr wollte sich mit dieser Niederlage nicht zufrieden geben. Sie wirbelte herum, aus dem Wasser heraus wie ein Fisch auf dem Weg zurück zur Quelle und erneut stob die Gischt auf.
Auch dieser Kampf war kurz, aber dafür um so heftiger. Als Siroco Sirr erneut in einem Hebelgriff gefangen hatte, breitete sich eine Landschaft aus Wellen um sie herum aus. Der gesamte unterirdische See schien in Bewegung geraten zu sein und das Echo der Wellen schlug von den Wänden und der Decke wie das Gemurmel einer aufgebrachten Menschenmenge zu ihnen zurück. Erich wurde sich plötzlich bewusst, dass ihn nur eine Armlänge von der Spitze eines auf seine Kehle gerichteten Dolches trennte. Auch die anderen wurden auf diese Weise von den Dienerinnen Sirocos in Schach gehalten. Kalter Schweiß breitete sich auf seiner Stirn aus.
Sirr wehrte sich noch immer, aber die Arme Sirocos gaben keinen Zentimeter nach. Das Blut, das aus seiner Wunde am Unterarm lief, sickerte in Sirrs helle Kleidung und Erich stellte irritiert fest, dass er diesen Anblick, so erschreckend er auch sein mochte, unglaublich schön fand.
Sarn und die anderen beiden standen unschlüssig da, umringt von Frauen mit gezogenen Waffen. Um Sirr jetzt beistehen zu können hätten wir es mit einem Dutzend Bewaffneter aufnehmen müssen, bevor wir überhaupt in die Nähe der Elfe gelangt wären. Selbst unverletzt und mit besserer Bewaffnung wäre das Selbstmord gewesen.
Vorsichtig strich Siroco mit seiner freien Hand über Sirrs Gesicht, um ihre Haare zu ordnen. Die Elfe hatte ihre Zähne raubtiergleich entblößt und Erich rechnete damit, dass sie jeden Moment nach ihm schnappen würde. Aber sie ließ es bei einem Knurren bewenden, das so dunkel zu ihnen herübertönte, dass es keinen Ursprung zu haben, sondern von der Höhle selbst zu kommen schien. Ein Knurren, das immer leiser wurde, je länger Sirocos Hand über ihre Haut strich und schließlich in ein langgezogenes Wimmern überging. Er flüsterte ihr erneut etwas ins Ohr und Sirr gab ihren Widerstand endgültig auf. Siroco änderte daraufhin seinen Griff, um sie auf den Beinen zu halten, denn Sirr sackte plötzlich entkräftet unter ihm weg. Dann packte er sie mit beiden Händen und trug sie zur blutbefleckten Liege und legte sie dort vorsichtig ab. Wasser das aus ihrer Kleidung floss, durchnässte die Laken und verwischte
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