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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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sie schließlich dem Krieg zum Opfer gefallen waren, der beinahe auch die Hürnin ausgelöscht hatte? Was wenn wir zu spät kamen? Was wenn auch ich keine Eltern und kein Volk mehr hatte? Vielleicht war unsere Rückkehr so sinnlos wie Gilcris' Weigerung mich als Kundschafter vorauszuschicken.
    Ich konnte mir dabei zusehen, wie sich meine Gedanken um sich selbst zu drehen begannen und schüttelte schließlich unwillig den Kopf. Nachdenken half nichts. Wir mussten erst mehr herausfinden.
    Drigg sah das ähnlich. Während die beiden Hürnin nur die Inselfestung als Ziel vor Augen hatten, versuchte er sich wie ich einen Reim auf alles zu machen, was um uns vor sich ging. Er bestärkte mich in meiner Vermutung, warum ich mich nicht mehr an mein früheres Leben erinnern konnte. Ohne hinzublicken wies er auf die Geflügelten, die unermüdlich über uns kreisten.
    „Auch sie kommen nicht aus dieser Welt.“
    „ Woher weißt du das?“, wollte ich wissen.
    „ Die Flamme hat mir davon erzählt: Jede Welt hat ihre Wächter, die ihre Grenzen bewachen. Das Leben. Den Tod. Die Liebe. Das Schicksal. Die meisten dieser Wächter sind unsichtbar, haben keine Gestalt, noch nicht mal ein Wesen. Sie sind einfach nur da und bestimmen die Geschicke der Bewohner dieser Welt. Das sind die Mächtigsten unter ihnen. Aber es gibt kleinere Wächter, die tagein, tagaus mit den Lebenden zu tun haben. Sie sind das Vergessen, die Ängste, Schmerz und Freude. Wenn sie sich lange genug in irdische Belange verwickeln lassen, nehmen sie die Gestalt der Wesen an, um die sie sich kümmern. Es heißt sogar, dass es jemandem, der mächtig genug ist, gelingen kann einen dieser kleineren Wächter in Ketten zu legen oder zu töten.“
    Wir hockten etwas abseits von den anderen, die sich ebenfalls miteinander unterhielten, während Hund aufgeregt in der Gegend herum rannte und mit seiner feuchten Nase dicht über dem Boden nach irgend etwas suchte, das offensichtlich nicht gefunden werden wollte. Kalter Wind strich über die Haut auf meinen Flügeln und mich fröstelte.
    „Heißt das, man kann den Tod töten?“, fragte ich unbehaglich.
    Drigg lachte. „Es ist nur eine Geschichte, die versucht die Welt zu erklären. Sie muss einen wahren Kern haben, sonst hätte die Flamme sie mir nicht erzählt und das dort oben sind bestimmt keine Vögel. Aber man darf nicht zu viel in solche Geschichten hineindeuten. Wenn der Tod kommt, wird er bestimmt nicht in Fleisch und Blut vor uns stehen.“
    Ich konnte nicht ahnen, dass er damit nur teilweise recht hatte, wie ich schon nach wenigen Tagen herausfinden sollte.
    „ Kannst du mir erklären, was mit euren Körpern passiert ist, als wir hergekommen sind? Oder warum wir Dämonen jetzt einen Körper haben, in der Welt der Hürnin aber nicht?“, fragte ich Drigg nach einer Weile.
    Der Magier klopfte auf die elastischen Platten, die seine Arme umschlossen wie die Haut einer Assel.
    „Vereinfacht gesagt: Unser Körper und euer Geist wurden verdichtet.“, antwortete er. „In unserer Welt existiert jedes Wesen auf mehreren Ebenen. Der Körper ist nur der sichtbare Teil davon.“ Drigg blickte sich um und betrachtete die Umgebung mit dem rötlichen Himmel und der grünlich schimmernden Draach, die noch immer hoch über unseren Köpfen dahinfloss, mit einem geringschätzigen Gesichtsausdruck. „In dieser Welt hier gibt es keinen Platz für derlei Feinheiten. Alles, was ein Lebewesen ausmacht, ist in seinem Körper zusammengepresst.“
    Ich nickte, obwohl ich mir alles andere als sicher war, ob ich richtig oder überhaupt verstand, was er damit zu sagen versuchte. Ich wollte schon gehen, um mich wieder zu den Hürnin zu gesellen, als er mit leiser Stimme fortfuhr: „Es gibt noch mehr Welten. Viel mehr. Wie viele weiß niemand. Sie steigen im Ozean des Universums auf wie Luftblasen vom schlammigen Grund des Seins zur Oberfläche der Vollkommenheit auf. Manche treffen sich, verbinden sich, werden größer, erreichen schließlich die Oberfläche, andere wie diese hier bleiben für immer im Morast der Schöpfung stecken ohne je auch nur einen Funken des göttlichen Lichts zu erhaschen. Es ist unser Unglück, dass sie noch immer mit unserer Welt in Verbindung steht. Ihr fauliger Geruch verpestet auch unsere Sphäre.“
    Ich legte verwirrt die Stirn in Falten und Drigg lachte leise als er es sah. „Ich bin kein Weiser. Ich kann dir nicht sagen, warum es so ist, oder was es für unser Tun bedeutet. Ich kann dir nur sagen, dass

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