Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
es so ist. Die Flamme wusste viel mehr darüber als ich.“ Ich blickte zu Sudra hinüber und der Magier folgte meinem Blick. „Auch er ist kein Weiser. Er reist zwischen den Welten, aber im Grunde ist auch er in einem Käfig gefangen, er weiß es nur nicht. Ich habe mit ihm gesprochen. Er ist kein Weiser.“
Kurz darauf brachen wir erneut auf, um weiter der Draach zu folgen. Über kurze Wegstrecken suchte sie sich wieder ein Bett im grauen Boden, aber die meiste Zeit schlängelte sie sich über den Köpfen der Hürnin durch die Luft. Kurz bevor es dunkel zu werden begann stießen wir auf eine Mühle, die wie eine Mischung aus Wind- und Wassermühle gebaut worden war. Das große Schaufelrad war an der Spitze eines Turms angebracht, stand aber schon lange Zeit still, denn der Fluss hatte seinen Lauf geändert und floss nun weit abseits am Turm vorbei. Warum man die Mühle ausgerechnet hier aufgestellt hatte oder was sie mahlen sollte war ein Rätsel, aber die Hürnin und Sudra machten sich nicht die Mühe es lösen zu wollen und so zogen wir weiter, so lange wir noch etwas Tageslicht zur Verfügung hatten.
Auf eine kurze Dämmerung folgte eine lange Nacht. Im Norden war der Widerschein von Lichtern auf den Fetzen einer sich verdichtenden Wolkendecke zu sehen und gegen Morgen sahen wir aus dieser Richtung ein unheilvolles Wetterleuchten.
Auch wenn die Hürnin in ihrer jetzigen Gestalt keinen Schlaf brauchten spürten sie Erschöpfung und die lange Rast tat ihnen gut. Und Sudra bestand auf seine Nachtruhe. Besonders wenn ein Sturm bevorstand.
„Ich habe schon einen Sturm hier erlebt, während ich auf dich warten musste und der war schlimm genug. Es regnete Feuer und Asche.“, sagte er mit gefurchter Stirn. „Und es sieht ganz danach aus, dass wieder so ein Sturm kommt.“
Die Wolken, die sich von Norden her näherten, hatten wenig mit den manchmal weichen manchmal schweren Gebilden zu tun, die ich aus der Menschenwelt kannte. Die Wolken hier hatten Kanten und Zacken, wie man sie am ehesten noch von den Beschreibungen eines Vulkanausbruchs kennt. Sie suchten sich mit einzelnen Wolkenbündeln wie Fühlern ihren Weg in alle Richtungen und tasteten sich auch über den Boden. Fast schien es, als wären die Wolken lebendige Wesen. Schon lange bevor sie uns erreichten, konnte ich den Schwefelgeruch, den sie mit sich führten, wahrnehmen und wenig später beschloss ich den letzten freien Platz auf Sudras Gefährt in Anspruch zu nehmen, weil ich nicht weiterfliegen konnte. Die Böen, die der Gewitterfront vorausgingen wurden immer stärker und es wurde mir schnell zu anstrengend ständig gegen sie anzukämpfen, nur um nicht abzustürzen.
Aber auch am Boden war der Sturm alles andere als ein Vergnügen. Da es in weitem Umkreis nichts gab, wo wir uns unterstellen konnten, und eine Rückkehr zur Mühle außer Frage stand, konnte uns nur die Draach ein wenig Schutz vor dem auf uns niedergehenden Feuer- und Ascheregen bieten. Der Wind peitschte das Wasser des Flusses zu immer höheren Wellen auf, die sich schäumend von der Oberfläche lösten und auf uns nieder stürzten. Es zischte und knackte wenn die Hürnin von größeren Tropfen getroffen wurden und sie zogen es bald vor, ein Stück abseits von uns auszuharren. Drigg, Sudra, Hund und ich ließen uns lieber bis auf die Haut durchnässen als vom Funkenregen verbrennen. Das fühlte sich wenigstens eher nach einem Gewitter an.
Weder Driggs Feuerkrone noch seine glühenden Armreifen wurden vom Wasser beeinflusst, während die Tropfen, die auf Gilcris und dem Halken niedergingen, deutliche Spuren hinterließen. Als der Sturm schließlich vorübergezogen war, konnte ich sehen, dass ihr Panzer übersät war von schwarzen Punkten, die wie Wachstropfen auf ihnen klebten und nach kurzer Zeit wie trockener Schorf wegbröselten. Es schien ihnen keine Schmerzen zu bereiten, aber ich hielt es nicht für eine gute Idee zu versuchen die vernarbte Insel schwimmend zu erreichen. Als ich Gilcris darauf ansprach, zuckte er nur mit den Schultern. Anscheinend hatten sie den Transport zur Insel bereits geklärt.
Abgesehen von diesem Sturm erreichten wir nach zwei weiteren Tagen ohne besondere Vorkommnisse das Mündungsgebiet der Draach.
Der Fluss weigerte sich auch hier zur Erde zurückzukehren. Einzelne Nebenarme schlängelten sich durch das Marschland, doch die Mehrzahl von ihnen breitete sich nach allen Richtungen hin aus, was dem Fluss das Aussehen eines gewaltigen umgestürzten
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