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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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das Andrej einen eisigen Schauer über den Rücken jagte. Jeden Tag brauchte Abu Dun mehr Kat und in immer kürzeren Abstanden. Ein Gutteil des Kat, das er den beiden toten Machdiji in der Nacht abgenommen hatte, war bereits verbraucht, und der Moment war abzusehen, in dem er die berauschenden Blätter ununterbrochen kauen würde.
    »He, ihr da! Was steht ihr herum, als hättet ihr nichts zu tun?«
    Andrej schluckte die scharfe Antwort herunter, die ihm auf der Zunge lag, und wandte sich rasch ab, doch nicht zu rasch, um nicht durch seine Hast aufzufallen. Es war unwahrscheinlich, dass sich die Machdiji alle untereinander kannten, doch mit seinem helleren Teint und den markanten, leicht slawischen Zügen lief er eher Gefahr aufzufallen als Abu Dun, trotz seiner enormen Größe. Besser, er überließ dem Nubier das Reden. Oder auch nicht.
    Nachdem der Machdiji die beiden vermeintlichen Faulenzer zurechtgewiesen hatte, blaffte Abu Dun den überraschten Mann derart an, dass er erschrocken ein gutes Stück zurückwich, doch Andrej wandte sich nicht um, um sich nicht durch seine Reaktion doch noch zu verraten.
    Schon um sich abzulenken, suchte sein Blick noch einmal die Silhouette des improvisierten Zeltes, in dem er Murida vermutete, doch das Licht der beginnenden Morgendämmerung reichte nicht einmal seinen scharfen Augen, um sie zu entdecken. Aber er spürte, dass Murida irgendwo dort oben war, und es war ein sehr angenehmes Gefühl … aber da war auch noch mehr.
    Etwas anderes und auf sonderbare Weise Fremdes, das ihn mit einem irritierenden Gefühl erfüllte, das beinahe an Furcht grenzte, ohne indes wirklich dazu zu werden. Abu Dun polterte noch eine Antwort, trat schließlich wieder an seine Seite und schlug ihm so freundschaftlich die flache Hand auf die Schulter, dass er einen normalen Menschen damit zumindest verkrüppelt hätte, wenn nicht umgebracht, und selbst Andrej mit einem hörbaren Ächzen in die Knie ging.
    »Unser Bruder hat recht«, sagte er, laut genug, um auch von besagtem noch gehört zu werden. »Es geziemt sich nicht, tatenlos herumzustehen, während alle unsere Brüder ihren Teil beitragen.«
    »Wohl wahr«, seufzte Andrej. »Wobei?«
    »Unserer Pflicht als gute Muslime nachzukommen und denen ein angemessenes Begräbnis zu gewähren, die ihre Leben im Namen des einzig wahren Propheten gegeben haben«, salbaderte Abu Dun in Deutsch. »Ein ungläubiger Christenhund wie du weiß es sicherlich nicht, aber der Prophet verlangt von uns, die Körper unserer gestorbenen Brüder und Schwestern so rasch wie nur irgend möglich beizusetzen.«
    »Welcher Prophet?«, gab Andrej in dergleichen Sprache zurück.
    Statt einer Antwort streckte Abu Dun die Hand aus, um den improvisierten Schleier vor Andreis Gesicht noch etwas höher zu ziehen, sodass nun tatsächlich lediglich ein kaum zwei Finger breiter Streifen über seinen Augen unbedeckt blieb, wandte sich dann wortlos um und verschwand, um schon nach einem Augenblick mit zwei grobschlächtig zusammengezimmerten hölzernen Schaufeln zurückzukehren, von denen er eine Andrej fest genug gegen die Brust rammte, um ihn fast aus dem Gleichgewicht zu bringen. »Hör auf zu reden, und spar dir deine Kraft, um zu graben.« Andrej hatte nicht übel Lust, seinem nubischen Freund genau die Antwort zukommen zu lassen, die ihm ob einer solchen Unverschämtheit zustand, doch dann sah er das warnende Funkeln in Abu Duns Augen und erst danach das knappe Dutzend Männer, das sich ihnen aus Richtung des Flusses näherte, ebenfalls ausgerüstet mit Schaufeln oder anderen, zum größten Teil hastig improvisierten Grabwerkzeugen. Statt aufzufahren, bedankte ersieh mit einem stummen Nicken, auf das Abu Dun mit einem ebenso wortlosen, dafür aber umso breiteren Grinsen reagierte, dann schlössen sie sich wortlos dem Beerdigungskommando an, um die Männer bei ihrer grausigen Arbeit zu unterstützen. Schon bald wurde ihm klar, wie umsichtig Abu Duns Idee gewesen war. Es wurde jetzt rasch hell, und sie konnten sehen, dass das Lager noch deutlich größer war, als Sharif angenommen und Andrej befürchtet hatte. Es mussten Hunderte von Kriegern sein, Männer wie Frauen, die der Elisa hier aufgelauert hatten, und noch während die Sonne aufging, stießen weitere Krieger auf Pferden und Kamelen oder auch in langen Kolonnen zu Fuß zu ihnen. Sharif hatte sich nicht geirrt, dachte er finster: Das war keine hastig zusammengewürfelte Truppe, um eine günstige Gelegenheit zu nutzen, sondern

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